Vor Kurzem haben sich die Fachgruppenleiter der GPM Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement getroffen. Ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt war die Auswirkungen der Megatrends für das Projektmanagement. Von den vom Zukunftsinstitut definierten Megatrends [1] werden insbesondere die Megatrends Konnektivität, New Work und Wissenskultur als wichtig für das Projektmanagement wahrgenommen.
Das Zukunftsinstitut schreibt hierzu [1]:
„Konnektivität ist der wirkungsmächtigste Megatrend unserer Zeit. Das Prinzip der Vernetzung dominiert den gesellschaftlichen Wandel und eröffnet ein neues Kapitel in der Evolution der Gesellschaft. Digitale Kommunikationstechnologien verändern unser Leben grundlegend, reprogrammieren soziokulturelle Codes und lassen neue Lebensstile und Verhaltensmuster entstehen. Um diesen fundamentalen Umbruch erfolgreich zu begleiten, brauchen Unternehmen und Individuen neue Netzwerkkompetenzen und ein ganzheitlich-systemisches Verständnis des digitalen Wandels.
…New Work beschreibt einen epochalen Umbruch, der mit der Sinnfrage beginnt und die Arbeitswelt von Grund auf umformt. Das Zeitalter der Kreativökonomie ist angebrochen – und es gilt Abschied zu nehmen von der rationalen Leistungsgesellschaft. New Work stellt die Potenzialentfaltung eines jeden einzelnen Menschen in den Mittelpunkt…
Der Megatrend Wissenskultur wirkt ungebrochen. Insbesondere das Zusammenspiel mit dem Megatrend Konnektivität verändert unser Wissen über die Welt und die Art und Weise, wie wir mit Informationen umgehen. …Komplexere, unvorhersehbare Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt und neue, kollaborative Formen der Wissensaneignung verlagern zudem den Fokus: hinzu lebenslangem Lernen…“
Zur Wissenskultur gehört das Thema Lernen und hier insbesondere die durch die Digitalisierung noch zu erwartenden Veränderungen. Ich war deshalb im Januar auf der LearnTec in Karlsruhe [2]. Schwerpunkt auf dieser Konferenz und Messe ist das Thema Digitalisierung des Lernens. Zu den digitalen Techniken gehören Lernmanagementsysteme, Augmented Reality, Virtual Reality, Diverse Chat Bot Techniken, Sprachübersetzungstechniken sowie Spiele, die Lernen unterstützen (Gamification). Die LearnTec Messe hatte dieses Jahr in Karlsruhe zwei große Hallen belegt und nächstes Jahr soll alleine für den Bereich Schule eine Halle neu hinzukommen.
Auf der Konferenz war Artifical Intelligence das dominante Thema. – Bei den Ausstellern auf der Messe war es noch nicht wirklich ein Thema. Verschiedene Vortragende waren sich einig, dass AI based learning in den nächsten Jahren kommen wird. – Hierzu zählen dann auch Training Bots und Coaching Bots. Für eine Zusammenstellung von Unternehmen, die hier an vorderster Front sind, verweise ich auf [3]. Das Thema Smart Learning Environment geht noch einen Schritt weiter: Lernräume werden mit Sensoren und Actoren ausgestattet, die das Lernen über von digitalen Systemen wahrgenommene Verhaltensweisen ( z.B. längeres Verweilen bei einem Satz oder (Fremd-) Wort, Augenbewegungen, Hautfärbung oder ähnliches) monitoren, den Lernenden auf dieser Basis individuell führen und dem Lehrer, Trainer oder Coach über People Analytics Informationen Eingriffsmöglichkeiten geben.
Bosch arbeitet an entsprechenden Lernumgebungen und von der TU Kaiserlautern wurde ein sehr beeindruckender Prototyp für das multimediale Lernen im Physikunterricht vorgestellt. – Je nachdem was die Sensoren mittels KI ermitteln, stellen Actoren die Lerninhalte ad hoc zusammen. Der Lehrer oder Trainer kann eingreifen, muss es aber nicht. Zusätzlich werden Informationen zu typischen Lernmustern aller Lernenden bereitgestellt.
Mittels „Leuchtürmen“, sogenannten Beacons oder Beacon-ähnlicher Technologie können Räume weiter smart gemacht werden. – Dies erlaubt u.a. die individuelle oder projektspezifische Bereitstellung von Informationen sobald Räume betreten oder verlassen werden [4].
Interaktionsräume für agile Projektteams könnten mit ähnlichen Techniken entsprechend weiter „aufgerüstet“ werden. – Ähnliche Ideen hierzu sind im Bereich People Analytics schon relativ alt (man siehe hierzu meinen Blog [5]), erfreuen sich aber in Datenschutz-orientierten Gesellschaft bisher (noch!) weniger Freunde.- Auch hier werden sich vermutlich Smart Working Environments oder Smart Project Environments etablieren. – Spätestens hier muss klar werden, dass Datenschutzgesetze alleine nicht ausreichen, sondern eine ganzheitliche Ethik gefordert ist, die nicht auf „Verliebtsein in Innovation, Erfolg und Geld“ ausgerichtet ist.
Der Jobfuturomat des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit [6] weist für Projektleiter einen Digitalisierungsanteil von ca. 33 % aus, für Manager einen Anteil von 25%. Details der Analyse sind leider nicht transparent verfügbar. – So wird nicht wirklich klar, ob damit z.B. 33% der Projektleiteraktivitäten durch die Digitalisierung ersetzt wird oder 33% durch die Digitalisierung verändert wird. – Es ist von Automatisierung die Rede. Mediatoren, Verhaltenstrainer/Kommunikationstrainer sollen hiernach einen Digitalisierungsgrad von 0% haben. – Die LearnTec lässt auch für diese letzte Berufsgruppe vermuten, dass sich das Berufsbild auch dieser Gruppe durch die Digitalisierung völlig verändern wird und enorme Möglichkeiten der Machtausübung damit verbunden sind.
Damit die Digitalisierung, wie Scobel sagt, nicht zu einer weiteren Entfremdung führt [7] oder wichtige Techniken der Selbstführung, wie diejenige der Achtsamkeit oder Meditation missbraucht werden [8], ist es notwendig, die Megatrends durch eine tiefgreifende Werteorientierung oder Ethik zu regulieren. Unreguliert führen sie zu vermeintlich schönen Hüllen: New Work ist nämlich nicht in erster Linie die Gestaltung von neuen mobilen, smarten oder work-life-balance Arbeitsumgebung, sondern wie wir im Management 4.0 sagen, eine an den menschlichen Grundbedürfnissen ausgerichtet Arbeit, bei der die Sinnfrage in jeder Hinsicht den nachhaltigen Bezugsrahmen setzt. – Im vorherigen Blog habe ich hierfür den Begriff Glück verwendet. – Unternehmen, die die Systemparameter des Unternehmens nicht so ausrichten, dass sie damit aktiv zum Glück der Mitarbeiter beitragen, praktizieren kein New Work [9,10].
Deshalb praktizieren Fluide Organisationen 4.0 Selbstorganisation und! wollen sich bewusst in Richtung einer Ethik mit türkisenen value-Memen entwickeln (d.h. insbesondere: ganzheitlich, nachhaltig, menschlich, naturverbunden). Man siehe hierzu meinem Blog [11] und auch den Beitrag „Interaction Patterns for the Digital Transformation“ in [9].
Schon Marx hat die Mechanismen der Selbstorganisation erkannt [12] und diagnostiziert, dass diese Mechanismen im 19ten Jahrhundert nicht an den menschlichen Grundbedürfnissen ausgerichtet waren. An verschiedenen Stellen im Blog habe ich darauf hingewiesen, dass die Selbstorganisation ein universelles Phänomen ist und damit nicht zwischen Gut oder Böse unterscheidet. Wie die Achtsamkeit auch, benötigt die Selbstorganisation eine Ethik.- Es ist also wichtig, zwischen der Selbstorganisation und einem ethischen Rahmen zu unterscheiden. Wenn wir von Selbstorganisation 4.0 sprechen, dann meinen wir eine Selbstorganisation, die auf den universellen Prinzipien beruht und die türkisenen value-Meme lebt. Diese Ethik wird umso wichtiger, als die Selbstorganisation mittels smarter Techniken unterstützt wird!
Wie ich im Blog über Davos [13] skizziert habe, sind meines Erachtens die Top-Führungskräfte der europäischen Unternehmen und Politik sowohl von dem Verständnis der Selbstorganisation als auch dem einer türkisenen Ethik sehr weit entfernt. Und damit schließt sich der Kreis wieder: Die Potentiale, die sich durch die Megatrends Konnektivität, New Work und Wissenskultur ergeben, können nicht gehoben werden. – Es besteht vielmehr das Risiko, dass die Megatrends unter diesen Bedingungen zur Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt werden.
[9] Oswald A, Müller (Hrsg.) (2019) Management 4.0 – Handbook for Agile Practices, Release 3, BoD Verlag, Norderstedt
[10] Lutze Matthias, Schaller Philipp D., Wüthrich Hans A. (2019) New Work, Zurück in die Zukunft der Motivation, Zeitschrift Führung +Organisation 6/2019
Anlässlich des alljährlich stattfindenden Weltwirtschaftsforums brachte die ARD einen eineinhalb stündigen Bericht zum Weltwirtschaftsforum der Jahre 2018 und 2019 [1]: Gezeigt wurden erstmals „interne“ Gespräche.
Der Nobelpreisträger Klaus Schwab hat das Forum vor 50 Jahren ins Leben gerufen „weil er mittels Dialog die Welt zum Besseren wandeln wollte“. Im Film kann man die positive Absicht von Klaus Schwab spüren, man spürt aber noch viel mehr das „Nicht-Ausgesprochene“, das „Nicht-Klartextsprechen“, das „Taktierten“ und das „Showmachen“. Erschreckend für mich ist die Szene in der einige der CEO‘s der größten europäischen Unternehmen vor Trump regelrecht buckeln und wie Kinder im Kindergarten oder in der Schule vor demjenigen, der einen Kopf größer ist, sich devot verhalten: Angefangen beim CEO Bayer, über ABB bis zu SAP. Der CEO von SAP ist nicht nur devot, er schmeichelt Trump regelrecht! – Und von solchen Männern, es waren offensichtlich nur Männer anwesend, erwarten wir den Systemwandel? Ich glaube, da können wir lange warten: Dort wo Macht als dominantes Gestaltungselement herrscht, ist der Systemwandel sehr sehr weit entfernt!
Neben Klaus Schwab kann man im Film meines Erachtens nur drei Frauen Respekt für Führungsstärke zollen: Der Geschäftsführerin von Greenpeace Jennifer Morgan, der Geschäftsführerin von Oxfam Winnie Byanyima und Greta Thunberg. Insbesondere hat Jennifer Morgan den brasilianischen Präsidenten zu seinem „Verhalten“ bezüglich seiner Regenwaldpolitik angesprochen. Dieser hatte kurz vorher das Problem des Abbrennens der Urwälder „nicht-ausgesprochen“ und stattdessen mittels „Nicht-Klartextsprechen“ die Aussage getätigt, dass er mit Hilfe der USA zum Nutzen Brasiliens und der ganzen Welt Rohstoffe zur Verfügung stellen wird.
Jennifer Morgan betont auch in einem Gespräch mit Klaus Schwab, dass das Konzept des bilateralen Aushandelns und Durchführens von Projekten zwar lobenswert sei, jedoch im Angesicht eines nötigen Systemwandels, der in einem Zeitfenster von ca. 10 Jahren vollzogen werden muss, nichts bringt. – 50 Jahre sogenannter Davos Dialog hat den Systemwandel bisher nicht eingeleitet. – Klaus Schwab stimmt diesem zögerlich zu.
Scobel hat das Thema Systemwandel unter dem Titel „Die globale Revolution“ erst kürzlich in einer Diskussionsrunde mit Patrizia Nanz (IASS Institute for Advanced Sustainability Studies e.V., Potsdam, Politikwissenschaftlerin), Stefan Brunnhuber (Hochschule Mittweiler, Mitglied des Club of Rome, Psychiater) und Claus Otto Scharmer (MIT Boston, Soziologe) behandelt [2].
Ich fasse die Ergebnisse der Diskussionsrunde wie folgt zusammen:
Notwendig für einen Systemwandel ist die individuelle Ausbildung von Achtsamkeit für uns selbst, die Mitmenschen und die Natur, sowie die damit verbundene Fähigkeit zur Selbstführung und die hieraus gewonnene Fähigkeit Menschen im Zeitalter von Komplexität auf der Basis von tief gehendem Systemverständnis zu führen (man siehe hierzu auch [3]).
Führen im Zeitalter von Komplexität bedeutet weder Regeln noch Steuern eines sozialen Systems, es bedeutet auf der Basis von Achtsamkeit zu intervenieren und zu akzeptieren, dass sich das System emergent entwickelt.- Führen ist somit auch Loslassen von Kontrolle und Steuerung, die einem linearen Kausaldenken folgen.
Das Gestalten von demokratischen Gesellschaftsstrukturen auf der Basis von Selbstorganisation ist eine zentrale Aufgabe. Hierzu sind entsprechende selbstorganisierte globale! Governancestrukturen einzuleiten und permanent anzupassen.
Der Systemwandel hat also im Wesentlichen zwei Aspekte: Einen individuellen Aspekt, nämlich den Kompetenzausbau von Achtsamkeit-basiertem Leben und Führen, sowie einen sozialen Aspekt, nämlich das Einleiten eines Wandels durch selbstorganisierte Strukturen auf allen Ebenen der (globalen) Gesellschaft. Beide Aspekte sind wesentlich für das Gelingen dieses ganzheitlichen Systemwandels.
Diese Ergebnisse der Scobel Diskussionsrunde entsprechen genau meinem Verständnis von Agiler Führung 4.0: Erweiterung des Bewusstseins zu einem Integralen Mindset; Führung auf der Basis der Grundbedürfnisse des Menschen; Verstehen von komplexen natürlichen, sozialen und technischen Systemen und der darauf aufbauenden Selbstorganisation und schließlich die Gestaltung von selbstorganisierten demokratischen Governancestrukturen.
Insbesondere zur Führung auf der Basis der Grundbedürfnissen des Menschen, zitiere ich aus dem kürzlich erschienen Spiegel-Artikel „Vermessung des Glücks“ [4]. – Unschwer erkennt man in diesem Zitat die drei Parametertypen der Selbstorganisation wieder:
„Fürs persönliche Glück brauche es stets die gleichen Grundlagen. Erstens: »Das Geld muss reichen«, sagt Brockmann. »Die Menschen müssen materiell abgesichert sein.« Zweitens lebten glückliche Menschen in guten sozialen Beziehungen. »Auf Augenhöhe, mit Familie, mit Freunden.«
Und drittens helfe es, einen höheren Sinn im Leben zu sehen. Glücklich sei, so Brockmann (Anm.: Hilke Brockmann, Professorin für Soziologie, Bremer Jacobs University), wer das Gefühl habe, seine Zeit auf Erden nicht sinnlos zu verstolpern.
Auf diese drei Zutaten laufe alles hinaus: materielle Sicherheit, soziale Beziehungen, ein höherer Lebenszweck. »Viel mehr«, sagt Brockmann, »kann die Glücksforschung als Ratschlag nicht geben.«“
Oder anders ausgedrückt: Wachsende Ungleichheit, Macht als Gestaltungselement und Arbeit ohne höheren Sinn, machen unglücklich und sind keine Basis für einen Systemwechsel bzw. eine „globale Revolution“!
Ich komme damit zurück auf Davos: Nimmt man die „CEO-Audienz“ bei Präsident Trump als Indiz für das Potential der CEO‘s diesen Wandel zu gestalten, so liegt das Potential sicherlich eher bei 0% als 100%: Die CEO’s und ihr Mindset, aber auch analog das der Politiker ist nicht nur Teil des Problems, sie sind das Problem. Wenn die Spitze der Macht keinen Systemwandel einläutet, dann helfen auch Beiträge wie vom SAP Director Global Mindfulness Peter Bostelmann nicht wirklich. Hiernach werden seit einiger Zeit bei SAP Achtsamkeitstrainings angeboten [5].- Im Gegenteil, sie hinterlassen im Kontext der Davos-Bilder und des Verhaltens des SAP CEO einen eher schalen Beigeschmack.
Wir stellen zwar fest, dass mit der „Grünen Bewegung“ und „Fridays for Future“ eine neue Aufmerksamkeit sichtbar wird, gleichzeitig entsteht aber auch eine Gegenbewegung von Rechtspopulismus oder sogar nationalsozialistischen Tendenzen. Beide polarisierende Bewegungen sind Ausdruck einer massiven Führungsschwäche, die man in Davos und täglich in den Nachrichten vorgeführt bekommt.
Davos müsste seine Werte neu ausrichten und für eine Abkehr vom „Schein-Dialog“ stehen. – Davos sollte die agilen Werte wie z.B. Mut, Transparenz und Commitment promoten, den Dialog des „Klartextsprechens“ und des „Wahrhaften-Auseinandersetzens“ einführen, um schließlich mittels integraler Werte den Systemwandel einzuleiten.
Von der natürlichen Evolution wissen wir, dass es das ideale Lebewesen, das in allen Kontexten überlebensfähig ist, nicht gibt. Leben bildet sich passend zum vorherrschenden Kontext, d.h. zur Umwelt, aus. Es passt sich entsprechend seiner inneren Möglichkeiten fortwährend an diesen an. Lebewesen überleben, wenn die inneren Möglichkeiten, also die jeweiligen Fähigkeiten, zum Kontext passen. Im Management 4.0 sagen wir, dass das Lebewesen über hinreichende Agilität verfügt, den Kontext wahrzunehmen. Es passt seine innere Komplexität so an, dass es die kontextuellen Gegebenheiten für sein Überleben ausnutzt. Hieraus leitet sich die Frage ab: „Gibt es eine Organisationsform, die es Organisationen ermöglicht, ihren jeweiligen Kontext in möglichst vielen Facetten wahrzunehmen, um die innere Komplexität schnell und flexibel anzupassen, um das Überleben zu sichern?“ – Vor kurzem hat Conny Dethloff auf Linkedin eine ähnliche Frage gestellt: „Gibt es eine passfähige primäre Organisationsform?“ [1].
Beginnend mit den Jägern und Sammler, wird die soziale Evolution von einer zunehmenden Funktionalisierung unserer Gesellschaft geprägt: Steine werden zu Werkzeugen, später werden Metalle zu Werkzeugen; immer mehr Werkzeuge erzeugen immer mehr Werkzeuge: Die Werkzeuge werden zu etwas Bestimmtem genutzt und erfüllen damit eine Funktion. – In der Moderne werden Menschen in funktionalen Organisationen zu „Werkzeugen“ organisiert: Die Vertriebsorganisation macht Vertrieb, die Produktionsorganisation produziert ein oder mehrere Produkte… Sie alle erfüllen eine Funktion. – Unsere Wahrnehmung schränkt sich nahezu automatisch auf die Erfüllung dieser Funktion ein. Es erfolgt eine zunehmende Spezialisierung.
Vor kurzem nimmt Christian Stöcker in der Spiegel Kolumne Stellung zu einem Beispiel (verdeckter) Funktionalisierung [2]: Er schildert, wie sich der derzeitige Lufthansa-Chef massiv darüber wundert, dass niemand bereit ist, den CO2 Ausstoß des eigenen Fluges durch Geld (es ist von ca. 360 € die Rede) zu kompensieren. Stöcker wundert sich seinerseits, dass der Lufthansa-Chef, sich wundert und nicht bereit ist, dafür zu sorgen, dass seine Flotte weniger CO2 ausstößt. – Und dass er nicht bereit ist, bis zur Reduktion des CO2 Ausstoßes, die Kompensation durch die Lufthansa selbst aufzubringen. Dies ist ein extremes Beispiel für Funktionalisierung: Der Lufthansa-Chef nimmt offensichtlich den Standpunkt ein, dass er eine Serviceleistung, eine Funktion, erbringt und dafür möchte er zu Recht Geld bekommen. Die Werkzeuge, also u.a. die Flieger, die er hierzu benutzt, gehören nicht zu seinem Funktionsbereich, darum sollen sich andere kümmern.
Man kann an diesem Beispiel auch erkennen, dass dieses Denken bzw. dieses Mindset sehr stark an entsprechende Werte geknüpft ist: Erfolgs- bzw. Geld-Orientierung ohne die geringste Verantwortungsübernahme für die mit diesem Erfolg verbundenen Konsequenzen für unsere Umwelt… Ähnliche Beispiele lassen sich nahezu beliebig in anderen Branchen finden: Herstellung und auch Verwendung von Autos, Herstellung von Textilien für Modeketten, Herstellung von Nahrungsmitteln und die Konsequenzen für Umwelt und Tier, Handel mit Finanzderivaten der großen deutschen Banken usw..
Es ist auch nicht verwunderlich,
wenn entsprechende Vorstände Agiles Management einführen wollen, um genau diese
Funktionalisierung weiter am Leben zu erhalten: Agiles Management ist aus deren
Perspektive ein weiteres Werkzeug, um schneller und flexibler Erfolg zu haben
und Profit zu machen. Der mit dem Agilen Management verbundene
Paradigmenwechsel wird noch nicht einmal ansatzweise verstanden, also
insbesondere: Handeln gemäß Integraler Werte, Reduktion des Work-in-Progress,
Ausrichtung am Sinn der Arbeit.
Da die Umwelt nach wie vor als unerschöpflich wahrgenommen wird – „so schlimm wird es schon nicht sein“ – beutet man die vorhandenen Ressourcen (Luft, Wasser, Boden, Bodenschätze, Menschen) einfach aus, um die gesellschaftlichen Strukturen funktional zu erhalten und weiter auszugestalten. Die innere Komplexität einer Organisation wird über Funktionalität an den Kontext Markt angepasst. Solange die Ausgestaltung der internen Komplexität in Struktur und Dynamik mit der externen Komplexität annähernd mithalten konnte, war „Agilität durch Funktionalität“ das vorherrschende Organisationsparadigma. Doch es ist schwierig in diesem Organisationsparadigma „ein Schauen über den Tellerrand“ oder gar „ein Wahrnehmen von Zusammenhängen“ zu etablieren. Innovationen werden deshalb außerhalb der funktionalen Organisationsformen durch Projekte erbracht und wieder in die funktionalen Organisationen eingebracht. Dies Alles ist sehr mühsam und wenig agil: Die alten Funktionen wehren sich gegen die neuen (in Projekten erbrachten) Funktionen, denn sie wollen nicht „sterben“. – Die Funktionen bestimmen unser Denken, unser Mindset, und unser Mindset bestimmt unsere Funktionen. Mit jeder neuen Funktion erhöhen sich die (unvorhergesehenen) Abhängigkeiten: Die ungewollte! Vernetzung steigt. Die funktionale Organisationsform, die uns ohne Zweifel viel ermöglicht hat, stößt immer mehr an ihre Grenzen. Um Agilität also Lebensfähigkeit zu erhalten, ist eine neue Leit-Organisationsform notwendig: Sie muss ermöglich, dass die Organisation sich leicht an den Kontext anpassen kann, Temporalität und gleichzeitig Stabilität ermöglichen, sowie Crossfunktionalität beinhalten und Innovation erzeugen. Überwiegend stabile funktionale Anforderungen werden in entsprechende Organisationen „ausgelagert“, die vermutlich zunehmend durch robotergestützte Organisationen abgelöst werden. – Die digitale Technik ist der „Katalysator“ dieser (Digitalen) Transformation.
Für uns Menschen „übrigbleibt“ die
temporäre Fluide Organisation: D.h. es werden temporäre Organisationen, die für
eine gewisse Zeit stabil sind, aufgebaut und zu Netzwerken von Organisationen
„zusammengeschaltet“. Für die Zeit der organisationalen Stabilität führen die
Organisationen Aufgaben oder Projekte durch, um danach durch neue temporäre
Organisationen für neue Aufgaben und Projekte abgelöst zu werden. – Die heute
noch oft gepflegte „Feindschaft“ von Aufgaben für die Linienorganisation und
Aufgaben für Projekte wird gegenstandslos. Im Management 4.0 sprechen wir von
Fluiden Organisationen 4.0. Abbildung 1 illustriert die Organisationsform
Fluide Organisation 4.0.
Diese Organisationsform baut sich aus selbstorganisierten Teams auf. Die selbstorganisierten Teams bilden emergente Strukturen aus, die mittels teamspezifischer Systemparameter, den Rahmenparametern (RP), Kontrollparametern (KP) und Ordnungsparametern (OP) beschrieben werden. Die Teams werden wiederum zu Teams-of-Teams zusammengefasst, die ihrerseits mit Teams-of-Teams spezifischen Systemparametern beschrieben werden, usw. … bis die gesamte Organisation abgedeckt ist. Man kann unschwer die in den Scaled Agile Frameworks (z.B. SAFe oder LeSS) verwendete Teams-of-Teams Struktur, oder die im Critical Chain Project Management verwendete Project-of-Project Struktur oder die in Holacracy verwendete Circle-of-Circle Struktur wiedererkennen. Wie die Systemparameter RP, KP und OP ausgestaltet werden, ist Framework-spezifisch.
Im Management 4.0 gehen wir davon aus, dass die gesamte Organisation der Selbstorganisation unterliegen sollte. Die Systemparameter der Selbstorganisation bilden also ein „Parameter-Netzwerk“, das auf allen organisationalen Ebenen horizontal wie vertikal entsprechend abzustimmen ist. – Dies ist eine sehr anspruchsvolle Führungsaufgabe. – Der OKR Ansatz ist ein Beispiel, diese Systemparameter auszugestalten [3]. Story Maps sind Beispiele für die Struktur von Ordnungsparametern (OP). In [4] haben wir gezeigt, dass nicht alle o.g. genannten Frameworks gleich gut das Kriterium der Selbstorganisation erfüllen. Als Maß für den Grad der Selbstorganisation in den Frameworks benutzen wir die Organisationsperformance, die von der (mittleren) Teamperformance und der Skalierungsperformance abhängt. – Ich verweise hierfür auf [4].
Im Titel habe ich von der „fast“ idealen Organisationsform gesprochen: Der Mensch ist das selbstorganisierte System, schlechthin. – Und auch das kann man über Systemparameter der Selbstorganisation modellieren: In der obigen Abbildung erhielte jeder Mensch auch eigene RP’s, KP’s, OP’s: Jeder Mensch lebt in seinen eigenen Kontexten, er verfügt über sein Temperament, seine Motive, Werte und Glaubenssätze und er versucht seinem Leben dem ihm eigenen Sinn zu geben. – Man siehe hierzu auch den letzten Blogbeitrag Metakompetenz Selbstorganisation 4.0.
Sobald jedoch mehrere oder gar viele Menschen ins Spiel kommen, ist man gezwungen der unglaublichen Anzahl an Freiheitsgraden Rechnung zu tragen. – Es ist nicht mehr möglich, eine ideale „Ausrichtung“ aller Systemparameter zu erhalten. – Die Organisationsform Fluide Organisation 4.0 wird zur „fast“ idealen Organisationsform. – Es ist die Aufgabe der Agilen Führung 4.0 diese Lücke möglichst gut zu schließen.
[1] Conny Dethloff (2019)
Die passfähige primäre Organisationsform, https://www.linkedin.com/posts/conny-dethloff-6b9b0942_ich-habe-gerade-meinen-beitrag-zu-einem-buchprojekt-activity-6609675046090747904-J0R-/
Wie schon im vorherigen Blogbeitrag angesprochen, biete ich, in Kooperation mit meiner Kollegin Sonja Armatowski, ab 2020 erstmalig Seminare und Lerncoaching für das Thema „Metakompetenz Selbstorganisation 4.0“ an.
Auch die Personalentwicklung beschäftigt sich mit den Themen Agilität, Lernen und Selbstorganisation. Das kürzlich erschiene Buch ‚Agiles Lernen‘ von Graf, Gramß und Edelkraut gibt hierzu einen guten Einstieg [1]. Die Autoren definieren Metakompetenz wie folgt: „Metakompetenzen sind Kompetenzen, die jeder Mitarbeiter – unabhängig von seinem Job – im Rahmen der veränderten Arbeitswelt haben sollte, um erfolgreich und gesund zu bleiben. In den 1990er Jahren war das im Zuge der ersten Projekte die Kompetenz ‚Teamfähigkeit‘.“ – Achtung: Mit dieser Definition zu Metakompetenz könnte man auch Deutsch- oder Englischkenntnisse als eine Metakompetenz verstehen.
Die Autoren weisen auch auf eine erst kürzlich durchgeführte Befragungsstudie zum Thema Metakompetenz hin. Derzeit sind (lediglich) die Studienergebnisse verfügbar [2]. Hiernach werden die Metakompetenzen in Elementare Metakompetenzen, Notwendige Metakompetenzen und (von den Befragten) Ausgeschlossene Kompetenzen unterteilt: Zum Beispiel sind Selbstorganisation und Resilienz hiernach Elementare Metakompetenzen, Selbstwirksamkeit und kritisches Denken Notwendige Metakompetenzen sowie Achtsamkeit und Transdisziplinarität sind Ausgeschlossene Metakompetenzen. Man beachte, dass diese Aussagen aus einer Befragungsstudie stammen und damit der „Regression zum Mittelwert“ unterliegen. Meines Erachtens können die Ergebnisse damit keinen Anspruch auf „tiefergehende“ Erkenntnisse haben. – Denn man kann sich beispielsweise fragen, wie sich Resilienz aufbauen kann ohne die ausgeschlossene Kompetenz Achtsamkeit. – Man siehe hierzu u.a. die youtube-Videos von Lesch und Scobel [3], [4]. – Man kann sich zum Beispiel auch weiterhin fragen, wie man Agilität und Kreativität ausbilden kann, ohne Fokus und Offenheit, den Kernelementen der Achtsamkeit und der Agilität.
Die Studie gibt stattdessen wertvolle Hinweise für das verbreitete Verständnis des Begriffes Metakompetenz. – So wird dort unter anderem Selbstorganisation vermutlich gemäß dem üblichen Verständnis benutzt, also „wir organisieren uns selbst“. Dieses Verständnis erfolgt ohne Rückgriff auf das aus der Komplexitätsforschung seit Jahrzehnten bekannte Verständnis „Selbstorganisation basiert (wahrscheinlich) auf universellen Prinzipien und führt zu emergenten Phänomen und Prozessen, die sich in komplexen Systemen ausbilden“. – Dieses Verständnis liegt Management 4.0 zu Grunde [5], [6].
In [5] definieren wir Metakompetenz wie folgt: Metakompetenz bedeutet die Ausprägungen der eigenen Persönlichkeit, die der Kommunikationspartner und der Organisationen entlang der jeweiligen Mindsets souverän wahrzunehmen und einzuordnen. Also nicht nur das Verhalten zu sehen, sondern den Kontext, in dem dieses Verhalten gezeigt wird und die damit verbundenen Ausprägungen der höheren logischen Ebenen (Anm.: logische Ebene der Dilts Pyramide als Modell eines individuellen oder organisationalen Mindsets). Es bedeutet auch, sich falls notwendig (in Gedanken) aus dem jeweiligen System herauszunehmen und das System über externe Wahrnehmungspositionen (Meta-Wahrnehmungs-positionen) zu beobachten.
Mit der Perspektive „Selbstorganisation“ bedeutet „Ausprägungen der eigenen Persönlichkeit, die der Kommunikationspartner und der Organisationen entlang der jeweiligen Mindsets souverän wahrzunehmen und einzuordnen“ die jeweiligen Rahmen-, Kontroll- und Ordnungsparameter wahrzunehmen und deren Wechselwirkung in komplexen Systemen und Systemen von Systemen einzuordnen und selbst im Rahmen der Möglichkeiten zu gestalten.
Damit widerspricht diese Definition nicht der in [1] vorgeschlagenen Definition, jedoch ergibt sich hieraus eine völlig andere Perspektive. Um diese Perspektive zu verdeutlich zitiere ich die aus [5] entnommene Erläuterung zu den vier Stufen des Lernens nach Gregory Bateson. Dieses Modell zu den Lernstufen dient nämlich der praktischen Umsetzung der obigen Definition zur Metakompetenz [5]:
Der Systemtheoretiker Gregory Bateson unterscheidet vier Stufen des Lernens (kurz Lernstufen), die Dilts, DeLoizier und Bacon Dilts in [7] den logischen Ebenen der Dilts Pyramide zugeordnet haben (Anm.: man siehe Abbildung 1).
Wir erläutern die Stufen des Lernens nach Bateson an Hand des Lernens im Projektmanagement eines fiktiven Projektleiters Paulchen, der sich zum exzellenten Projektleiter Paul entwickelt:
Lernen null:
In der Stufe „Lernen null“ liegt kein Lernen vor, der Mensch verfügt über ein Repertoire an Verhaltensmustern, die er stets anwendet, gleichgültig um welche Situation es sich handelt.
Beispiel: Projektleiter Paulchen verwendet immer wieder das gleiche Verfahren, um ein Projekt durchzuführen.
Lernen I:
In der Stufe I werden in geringem Umfang die Verhaltensmuster angepasst oder angereichert.
Beispiel: Projektleiter Paulchen hat von agilen Methoden gehört und reichert seine Planung hiermit an. Er hat sich nicht bewusst gemacht, in welchem Kontext agile Methoden sinnvoll sind und wann nicht.
Lernen II:
In der Stufe II beginnt sich erstmals eine schwache Metakompetenz auszubilden. Der Kontext und die für den Kontext sinnvollen Verhaltensweisen und die dazugehörigen relevanten Fähigkeiten werden erkannt. Verhaltensmuster aus anderen Situationen werden übernommen und die Fähigkeiten entsprechend erweitert.
Beispiel: Projektleiter Paulchen erkennt, dass seine Planungsmethode in dem einen Kontext zu einem besseren Projektergebnis führt, jedoch in einem anderen Kontext zu schlechteren Ergebnissen. Paulchen überprüft zukünftig den Projektkontext und wählt seine Planungsmethode entsprechend aus.
Lernen III:
In der Stufe III beginnt die Metakompetenz sich zu entfalten. Die eigene Persönlichkeit wird in ihren Facetten wahrgenommen. Der Mensch erkennt sein Temperament und seine Motive und die daraus resultierenden Verhaltensmuster. Glaubenssätze, Grundannahmen und Werte werden erkannt und das eigene System an Überzeugungen und Werten kann nach Bedarf tiefgreifend verändert und nach Bedarf komplett ausgetauscht werden. Der Mensch hat die Fähigkeit, für ihn völlig neue Muster anderer Personen zu erkennen, zu modellieren und anzuwenden.
Beispiel: Projektleiter Paul erkennt welche Werte und Glaubenssätze ihn geleitet haben, seine Projektplanungsmethode einzusetzen. Er überprüft welche Prinzipien in welchem Projektkontext sinnvoll sind und wählt seine Projektmethodik entsprechend aus.
Lernen IV:
In der Stufe IV hat sich die Metakompetenz vollständig ausgebildet. Der Mensch ist in der Lage aus sich als einem System, aber auch aus anderen Systemen wie Team, Organisation oder Gesellschaft „herauszutreten“ und diese Systeme wie von außen zu betrachten. Der Mensch tritt damit in das umfassendere System der Systeme ein. Auf dieser Stufe des Lernens wird ein Zustand der Offenheit und Verbundenheit mit dem „großen Ganzen“ erreicht. Stufe IV hat damit auch eine eindeutig transzendente Dimension.
Beispiel: Paul ist inzwischen Senior Projektleiter geworden und erkennt, dass selbst der souveräne Einsatz eines Portfolios von Projektmethodiken im Kontext von Unsicherheit und Ungewissheit zu schlechten Projektergebnissen führen kann. Er stellt sich die Frage „Welche völlig neuen Ansätze sind notwendig, um zu lernen, mit Unsicherheit und Ungewissheit umzugehen?“ Durch die Synthese von theoretischen Überlegungen, Hypothesenbildung, experimentellem Handeln und entsprechender Korrektur seines Handelns kreiert er eine neue Art von Projektmanagement.
Aus dieser Darstellung kann man entnehmen, dass „Meta“ bedeutet, die Stufen der Dilts Pyramide zu erklimmen: „Probleme kann man niemals auf derselben Ebene lösen, auf der sie entstanden sind“, entsprechend dem Bonmot von Albert Einstein.
Das Erklimmen der Stufen des Lernens ist auch !! ein emergenter Prozess der Selbstorganisation unserer komplexen neuronalen Gehirnstruktur und der damit verbundenen Körperfunktionen: Demjenigen, dem das Bild der Pyramide zu statisch ist, der möge sich zum Beispiele eine Rakete vorstellen, deren verschiedene Stufen gezündet haben müssen, damit sich die Rakete ihrem Ziel der „Metakompetenz Selbstorganisatin 4.0“ näheren kann. Selbstorganisation 4.0 ist eine Metakompetenz im Sinne von [3], in dem sie die Muster der Selbstorganisation auf allen Ebenen des Seins erkennt und durch geeignete Interventionen beeinflusst. In diesem Sinne ist sie die Basis für das Handeln in komplexen Systemen, sie emergiert aber erst, wenn eine ganze Reihe von Kompetenzen erfüllt sind. – In diesem letzteren Sinne ist sie keine Elementare Kompetenz, sondern eine sich entwickelnde Kompetenz.
Abbildung 2 verwendet u.a. die in [2] vorgeschlagenen Kompetenzen ergänzt um die Kompetenzen, die wir für nötig erachten, damit sich eine (persönliche) Selbstorganisation 4.0 emergent ausbildet und zu einer Metakompetenz wird.
Auch hier noch eine Anmerkung zur Bedeutung von „Meta“: Nach [2] gehört die Transferfähigkeit zu den Notwendigen Metakompetenzen, jedoch Transdisziplinarität zu den Ausgeschlossenen Metakompetenzen. Komplexe Systeme, die heute vielfach aus natürlichen, sozialen und technischen Subsystemen bestehen erfordern jedoch ein „out-of-the-box“, „out-of-the-silo“ oder „out-of-the-ideology“ Denken: Die großen Themen unserer Zeit wie Klima, Digitalisierung oder Ungleichheit lassen sich nicht mehr mittels Disziplinarität auflösen, sie sind vielfach gerade hierdurch entstanden: Z.B. tobt in der Ökonomie zwischen unterschiedlichen Denksilos seit Jahrhunderten der Kampf zwischen „der guten unsichtbaren Hand des Marktes“ und „der Zügelung des bösen Marktes durch den guten Staat“. – Meines Erachtens ein Paradebeispiel für die Auflösung der Denksilos durch die Anwendung der Metakompetenz Selbstorganisation. Oder: Die Abstraktion von Mustern und Prinzipien der Psychologie und Neurowissenschaften und entsprechende Anwendung in der Informatik und vice versa, haben erst die enormen Erfolge der AI und der Neurowissenschaften möglich gemacht. Falls jedoch über Transdisziplinarität keine integrative Perspektive, zum Beispiel zu den gesellschaftlichen Auswirkungen, hinzukommt, werden uns, über kurz oder lang, aus der AI neue Probleme erwachsen. Auch in diesem Sinne ist „Meta“ als ganzheitlich integral zu verstehen.
Wie man unschwer aus der Abbildung 2 „Rakete“ Selbstorganisation 4.0 erkennen kann, müssen relativ viele Kompetenzen zusammenkommen, damit sich die Metakompetenz Selbstorganisation 4.0 entwickeln kann. Die Abbildung 2 suggeriert möglicherweise bei dem ein oder anderen einen linearen Prozess, in dem nacheinander alle Kompetenzen der Reihe nach abgehakt werden. – So ist die Abbildung 2 nicht zu verstehen: Im Komplexen, und wir Menschen sind komplex, können kleine Änderungen (man siehe zum Schmetterlingseffekt die anderen Blog Beiträge) plötzlich und unerwartet die gesamte Rakete zum Fliegen bringen. In unserem Trainingsangebot berücksichtigen wir diese Erkenntnis, in dem wir Lerncoaching anbieten: In einem zweitägigen Seminar legen wir die Grundlage für den Treibstoff und das Zünden der Rakete. Möglicherweise zündet die Rakete noch nicht im Seminar. In den meisten Fällen zündet die Rakete wahrscheinlich erst später. Das Vermittelte wird durch weitere Reflektion und Übungen zum Fliegen gebracht. Durch geeignete Interventionen des Lerncoaches und vor allem durch „zufällige“ Ereignisse im Leben des Coachee entfaltet sich dann die bewusst herbeigeführte Selbstorganisation des Coachee „wie von selbst“.
Wir bieten das Erlernen der Metakompetenz Selbstorganisation als offenes Seminar mit dem Produktnamen SelbstOrganisation Genius (SO Genius) und als Inhouse Seminar für Teams und Organisationen mit dem Produktnamen SO Collective Mind an. – SO Genius und SO Collective Mind können beide zusätzlich mit Lerncoaching für die anschließende Prozessbegleitung (SO Genius + und SO Collective Mind +) gebucht werden. Die SO Genius Termine sind auf der Internetseite von Sonja Armatowski zu finden [8]:
SO Genius, im Wald Hotel in Heiligenhaus (Nähe Essen) vom 18.05.2020 bis 19.05.2020 [keine Buchung mehr möglich]
SO Genius, im Kloster Heiligkreuztal in Altheim (Schwäbische Alb) vom 22.06.2020 bis 23.06.2020 [keine Buchung mehr möglich]
SO Genius, im Kloster Heiligkreuztal in Altheim (Schwäbische Alb) vom 28.09.2020 bis 29.09.2020 [keine Buchung mehr möglich]
SO Genius, im Kloster Heiligkreuztal in Altenheim (Schwäbische Alb) vom 08.10.2020 bis 09.10.2020 [keine Buchung mehr möglich]
Das Inhouse Seminar für Teams und Organisationen SO Collective Mind bzw. SO Collective Mind + bieten wir auf Anfrage firmenspezifisch an: Bitte schreiben Sie bei Interesse eine eMail an info(at)socialtechnologies.de.
[1] Graf N, Gramß D, Edelkraut F (2019) Agiles Lernen – Neue Rollen, Kompetenzen und Methoden im Unternehmenskontext, 2. Auflage, Haufe Verlag
[5] Oswald A, Köhler J, Schmitt R (2016) Projektmanagement am Rande des Chaos, Springer
[6] Oswald A, Müller (Hrsg.) (2019) Management 4.0 – Handbook for Agile Practices, Release 3, BoD Verlag, Norderstedt
[7] Dilts RB, DeLozier J, Bacon Dilts D (2013) NLP II – die neue Generation: Strukturen subjektiver Erfahrung – die Erforschung geht weiter. Junfermann Verlag
Als die GPM Fachgruppe Agile Management vor ungefähr 10
Jahren das erste Mal den Begriff Management 4.0 kreierte, hatten wir nicht
Industrie 4.0 oder die Digitale Transformation im Sinn. Industrie 4.0 bzw. die
Digitale Transformation waren als Begriffe in Google damals noch nicht sichtbar.
Uns geht es heute, wie damals, um das Verständnis von Komplexität und der damit sehr eng verbundenen Selbstorganisation. Es geht uns, um ein geeignetes Denken und Handeln im Angesicht von Komplexität: 4.0 steht also für das Denken und Handeln in komplexen Situationen und Umfeldern und hat zuerst einmal nichts mit Industrie 4.0 bzw. der Digitalen Transformation zu tun. – Jedoch, … die Digitale Transformation, als sozial-technisches Phänomen, ist einer der derzeit recht vielen globalen Komplexitätstreibern. Andere Komplexitätstreiber, die ihre Auswirkungen in Gesellschaft, Natur und Technik haben, sind der mögliche Klimakollaps oder die soziale Sicherheit und die Verfügbarkeit von Arbeit und Wohnen. Damit sehr eng verbundenen sind die gesellschaftlichen Auswirkungen der Bereiche Energie, Mobilität, Nahrung, Gesundheit sowie lokaler und globaler Umweltschutz.
Auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zeigt das Management
4.0 Prinzipien für das Handeln unter Komplexität auf. – Dieser Blogbeitrag
wendet einige dieser Prinzipien auf einige Aspekte des aktuellen
gesellschaftlichen Diskurses und der Politik an.
Der Schmetterlingseffekt – „Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien löst einen Tornado in New York aus“ – steht als realitätsnahe Metapher für die enorm unterschiedlichen Auswirkungen, die kleine Unterschiede in den Anfangsbedingungen eines komplexen Systems haben. Insbesondere mit unserem Klima stehen wir an einem möglichen Tipping Point (Kipppunkt). Das was wir heute entscheiden oder nicht entscheiden kann in der Zukunft enorme Auswirkungen haben, also einen Schmetterlingseffekt zeigen: Das was wir entscheiden kann den Fortbestand unserer Erde, so wie wir sie heute (noch) kennen, massiv gefährden oder ermöglichen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Tipping Point längst erreicht ist, und sich selbstorganisiert Mechanismen in Gang setzen, die wir nicht (mehr) aufhalten können. Man spricht von selbstorganisierter Kritikalität.
Schmetterlingseffekt, Tipping Point und selbstorganisierte Kritikalität gibt es nicht nur in der Natur, sondern auch in sozialen Systemen, also in Gruppen, Organisationen oder in der gesamten Gesellschaft.
Forschungsergebnisse aus dem Jahre 2018 haben starke Hinweise, dass in sozialen Systemen ein Tipping Point bei 25% der Population liegt [1]: Sind also 25% einer Organisation oder Gesellschaft von etwas wirklich überzeugt, kippt die gesamte Gesellschaft in die entsprechende Richtung. Interessante, neugierig machende Lügen (Fake News) und die richtige Auswahl bzw. Platzierung der Promotoren des Kippens begünstigen den Übergang.
Wie der neueste Deutschlandtrend des ARD zeigt [2], geben inzwischen 63% der Bevölkerung dem Klimaschutz Vorrang vor dem wirtschaftlichen Wachstum.- Eine erfreuliche Entwicklung. – Die Ausweitung der Grünen Grundstimmung und vor allem auch die „Fridays for Future“ haben hierzu beigetragen. – 52% der Bevölkerung schätzen die Bedeutung von „Fridays for Future“ für diese Entwicklung hoch ein. Das (halbherzige) Umschwenken der Meinung des politischen Establishments (CDU/CSU und FDP) ist sicherlich ganz wesentlich auf die letzten Wahlergebnisse und die „Fridays for Future“ Bewegung zurückzuführen. – Es gab nicht wenige Politiker, die den jungen Menschen in den Anfängen öffentlich Kompetenz abgesprochen und Disziplinlosigkeit zugesprochen haben. – Inzwischen sind besagte Politiker wesentlich vorsichtiger geworden.- Sie könnten ja Wählerstimmen verlieren. Das Kippen der öffentlichen Meinung vollzieht sich gerade, jedoch die politische Führung bleibt in ihrer mentalen Blockade gefangen.- Die Maßnahmen des Klimakabinetts werden schon während ihrer Publikation als Fehlentwicklung und Augenwischerei bezeichnet (unter vielen sehr ähnlichen Aussagen, hier nur eine in [3]).
Die Bildung der AfD und auch der Brexit kann man als selbstorganisierte Kritikalität verstehen: Das „Eindringen der Flüchtlinge“ hat neue Komplexität mitgebracht, die vielen Menschen Angst macht bzw. gemacht hat. – Diese Angst ist ein enormer Brandbeschleuniger. Die mit dem drohenden Klimakollaps verbundenen Maßnahmen, können, wenn sie jetzt falsch „designed“ werden, weitere Ängste schüren und diese Ängste könnten dann noch viel schlimmere Auswirkungen haben: Sollten die Klimaziele zu Lasten der sozialen Sicherheit gehen, ist dies der „gefundene Kontrollparameter“ den die AfD sucht, um die Gesellschaft weiter zu spalten bzw. zu destabilisieren. – Es könnte sein, dass das politische Establishment genau hiervor Angst hat und dementsprechend das Klimapaket falsch schnürt. – Es ist aber auch zu vermuten, dass sie das Denken unter Komplexität nicht wirklich beherrschen und damit die Wirkung der angedachten Maßnahmen nicht wirklich einschätzen können: Die CO2-Bepreisung ist ein Kontrollparameter, damit er wirkt, muss man ihn erkennen und auch im Wert richtig einstellen, was offensichtlich bisher nicht getan wurde. – Der aktuelle Wert ist nur ein Fünftel des notwendigen Wertes.- Also als Kontrollparameter völlig wirkungslos. – Diesen Effekt des Festhaltens an alten Denkmustern kennen meine Kollegen und ich auch aus der Agilen Organisationsentwicklung: Dort gibt es u.a. den Kontrollparameter Work-in-Progress, der im Idealfall bei 1 liegen sollte, also eine Aufgabe pro Zeiteinheit pro Mitarbeiter… Die Führungskräfte und die Mitarbeiter der Organisation finden tausend Gründe warum die Organisation diesen Wert nicht einhalten kann, auch wenn man weiß, dass damit Agilität in weite Ferne rückt. Stattdessen werden viele kleine, wenig sinnvolle Maßnahmen eingeführt, in der Hoffnung, dass in der Summe der Effekt eintritt. Dies ist lineares Denken für nicht-lineare komplexe Prozesse. Damit verbunden ist die zentrale Erkenntnis, dass es keinen Sinn macht einen Kontrollparameter eines Bereiches (hier der Bereich Energie und Mobilität) niedriger als gefordert anzusetzen, weil man Angst vor den Konsequenzen in einem anderen Bereich (hier dem der sozialen Sicherheit oder Arbeit) hat: Das Klima weiss nichts von den Problemen im Bereich Arbeit; es wartet nicht, es geschieht einfach…
Selbstorganisation in komplexen Systemen findet immer statt.
Hierbei ist es gleichgültig, ob man die Systemparameter bewusst einstellt oder
sich diese durch den Kontext wie von alleine ergeben. – Auch eine Diktatur
führt zu einer Selbstorganisation, die jedoch sehr wenige Freiheitsgrade hat
und damit keine entsprechende innovative soziale Entwicklung ermöglicht.
Das Auffinden von Systemparametern (Rahmen-, Kontroll- und Ordnungsparametern), die dem System Freiheiten für neue Strukturen geben, ist, wie man aus der Wissenschaft weiß, kein leichtes Unterfangen: Es gibt evtl. nicht nur viele Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Systemvariablen, die einen beim „Design“ der Systemparameter verwirren, sondern es sind nur wenige, ganz bestimmte Parameter, die es zu finden gilt: Zur Zeit tobt die Diskussion „CO2-Zertifikate versus CO2-Bepreisung“. Diese Diskussion wird noch vernebelt durch viele weitere Detail-Maßnahmen, wie z.B. die Vorgabe einer e-Auto Mindestanzahl für die Automobilindustrie, die Diskussion zum SUV, die Erhöhung der Pendlerpauschale, usw. Die Experten sind sich einig, dass die CO2-Bepreisung die effektivste Form für die Reduktion des CO2 Ausstoßes ist (siehe u.a. [3]). Auch nach meinen jetzigen Erkenntnissen ist die richtige CO2 Bepreisung der beste Kontrollparameter, vielleicht auch der einzige. – Die vielen weiteren Maßnahmen schaden vermutlich nicht, sie nutzen aber auch nicht (viel) für die Verhinderung des Klimakollapses.
Jedoch… sie lassen die Bevölkerung und die Politiker im
Glauben, dass ein Nutzen damit verbunden ist, und dies ist die wirklich
gefährliche mentale Verzerrung.
Anlässlich einer Diskussion in der Sendung „Anne Will“ [4] zwischen dem Verkehrsminister und einer Greenpeace Aktivistin kann man diese Verzerrung leicht nachvollziehen: Der Verkehrsminister fragte die Aktivistin, ob sie es denn nicht gut fände, dass Porsche ein e-Auto Werk baut, das 1500 Menschen Arbeit gibt. Die Aktivistin sagte hierauf lediglich, dass dies das falsche Signal sei, ohne zu erklären, was sie damit meint.
Stattdessen hätte sie sagen können, dass mit dem Lob „Porsche, super gemacht“ durch die Politik, die gesellschaftlichen Werte unterstützt werden, die ganz wesentlich zum Klimakollaps beitragen (man sie hierzu meinen Blog vom August 2019: Selbstorganisation Straßenverkehr – Der Straßenverkehr ein Spiegelbild unserer Gesellschaft?!). Vielmehr wäre es wichtig, dass die Politik neue Werte in den Diskurs einführt, damit sich diese mit der Zeit als soziale Kontrollparameter etablieren können. – Dies heißt auch, dass die Maßnahme von Porsche nicht verteufelt wird, aber in ihrer Bedeutung stark relativiert wird. Wie oben schon gesagt, ist es notwendig, den Wandel so zu gestalten, dass den Rechtspopulisten kein Kontrollparameter „fehlende soziale Sicherheit“ in die Hand gegeben wird.
Abbildung 1 zeigt einen möglichen, sehr groben Vorschlag für die Ausgestaltung der Deutschland-Systemparameter. Dem obersten Ordnungsparameter (Leben im Einklang mit und im Respekt für die Natur, Würdevolles Leben für Jeden) kommt hierbei die zentrale Rolle für den Wandel in der Gesellschaft zu. Dieser ist in einem „Kasten“, der andeuten soll, dass dieser Ordnungsparameter „immer“ als „Großes Bild“ visualisiert wird, um ihn für die gesamte Bevölkerung sichtbar zu machen. Die Kontrollparameter in Form von Werten (und weniger Regeln oder Verboten) helfen im täglichen Handeln bei der Umsetzung des „Großen Bildes“. Und natürlich dienen diese übergeordneten Systemparameter als „Rahmenparameter“ für die Ausgestaltung der Systemparameter in den jeweiligen Bereichen Nahrung, Arbeit, Gesundheit, Energie, Mobilität, lokaler und globaler Umweltschutz, Migration und Digitalisierung. – Es entsteht also eine Hierarchie an vertikal wie horizontal abgestimmten Systemparametern. Die CO2-Bepreisung haben wir ja schon als Kontrollparameter kennengelernt; sie dient für die Bereich Mobilität und Energie als Kontrollparameter. Natürlich, wie oben geschildert, kann diese nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn ein geeigneter Wert eingestellt wird und ggf. immer wieder adjustiert wird. Die Ausgestaltung der bereichsspezifischen Ordnungsparameter erfolgt auf der Basis des obersten Ordnungsparameters als Leitplanke: Für den Bereich Nahrung könnte dies zum Beispiel heißen: „Qualität vor Quantität: Die Nahrungsmittelproduktion unterliegt nicht dem Diktat des Marktes. Es gilt der Respekt vor uns Menschen, den Tieren und den Pflanzen. Der Respekt vor Tieren und Pflanzen sichert über die Nahrungskette auch ganz wesentlich unsere Gesundheit.“ Dies hat dann nahezu automatisch zur Konsequenz, dass es keine prophylaktische flächendeckende Behandlung der Tiere mittels Antibiotika mehr gibt, dass die Tiere nicht wie Ware behandelt werden, die es tod- oder lebendig zu exportieren gilt, usw… Für den Bereich Lokaler und Globaler Umweltschutz könnte dies heißen: „Das, was wir an Müll erzeugen beseitigen/recyclen wir im eigenen Land. Wir erzeugen weder direkt noch indirekt in anderen Ländern Müll.“
Politik 4.0 weiß also einerseits um die komplexen Zusammenhänge der verschiedenen sozialen-natürlichen-technischen Bereich, orientiert sich – wie oben geschildert- an einer Systemparameterhierarchie, stimmt diese vertikal wie horizontal ab, und berücksichtigt hierbei, dass Steuerungsmechanismen (Kontrollparameter) nicht politischen Interessen geopfert werden dürfen, denn sie sind, wie am Beispiel Klima (Mobilität und Energie) skizziert, nicht verhandelbar.
Politik 4.0 strebt nach einer hohen öffentlichen Transparenz der Systemparameter. – Hierzu sind wahrscheinlich neue Mechanismen der integrierten Kommunikation notwendig. – Den öffentlich-rechtlichen Medien kommt hier sicherlich eine besondere weitere Bedeutung zu.
Politik 4.0 etabliert transparente PDCA-Zyklen (Plan-Do-Check-Adapt-Zyklen): Denn öffentliches Erfolgsmonitoring ist von enormer Bedeutung für die Transformation der Gesellschaft.
[1] Oswald A, Müller (Hrsg.) (2019) Management 4.0 – Handbook for Agile Practices, Release 3, BoD Verlag, Noderstedt
Am 13.08.2019 brachte das WDR Fernsehen in der Reihe „Quarks“ den Beitrag: Wem gehört die Straße? Aggressionen im Verkehr [1].
Hiernach hat
sich die Anzahl der PKW’s in der BRD seit den 50er Jahren mehr als
verfünfzigfacht. Seit den 1970er Jahren verdreifacht. Reiht man alle Autos
aneinander, so ergibt sich heute eine Parklänge die ca. 7mal die Erde umrundet.
Wir haben ca. 2000 Staus/Tag, 400 Unfälle/Tag durch aggressives Fahren,
insgesamt 7223 Unfälle/Tag sowie 9 Tote/Tag [2]. 70% der Autobahnkilometer sind
ohne Tempolimit.- Wir sind das einzige europäische Land ohne Tempolimit. – Die
bisher unberücksichtigten Folgekosten des Verkehrs betragen ca. 150
Milliarden/Jahr [3]
In den Innenstädten
hat sich der für den Verkehr zur Verfügung stehende Raum nicht wesentlich
geändert. – Es konkurrieren immer mehr Autos mit Fußgängern, Radfahrern und
neuerdings auch E-Scootern. D.H. auch, dass wir einen erheblichen
Ressourenkonflikt haben. Außerhalb der Innenstädte wird nach wie vor immer mehr
Fläche u.a. von unserem Straßenverkehr „gefressen“.
Berücksichtigen wir, dass neben dem Flächenfrass [4], die Luftverschmutzung und die Verschmutzung durch Lärm über die letzten Jahrzehnte erheblich zugenommen haben, so wird offensichtlich, dass der Straßenverkehr eines der großen Probleme unserer Zeit darstellt. – Das Problem grundsätzlich anzugehen, hat die Politik bisher versäumt. – Ich fühle mich unwillkürlich an das amerikanische Beharrungsvermögen bezüglich der amerikanischen Waffengesetze erinnert.
Gleichzeitig nimmt der Zeitdruck durch Privatleben und Beruf immer mehr zu und entlädt sich durch die bestehenden Rahmenparameter unseres Straßenverkehrs (geringer werdender Verkehrsraum in den Städten, Erlaubnis zu hoher Geschwindigkeit,…) in einer höheren Aggressivität. Selbst das Design der Autos ist über die Jahre aggressiver und dominanter geworden. Im WDR Beitrag wird als Beispiel die Veränderung des VW Golf Designs angeführt. Betrachtet man die Ausmaße und das Design der beliebten großmotorigen SUV’s von Mercedes, BMW und Audi, so könnte man vermuten, dass es geradezu eine Explosion von Dominanz, „Sportlichkeit“ und Aggressivität im Autodesign gibt. – Von einer Explosion des ökologischen Fußabdruckes ganz zu schweigen.
Begonnen hat Alles in den Zeiten des Deutschen Wirtschaftswunders. – Die Straßen wurden damals so angelegt, dass die damals noch wenigen Autos ungehindert fahren konnten und sich ein „ungestörter“ Verkehrsfluss einstellen konnte. Das Wirtschaftswunder hatte als oberstes Ziel – also als einen der obersten gesellschaftlichen Ordnungsparameter der Selbstorganisation [siehe Anmerkung unten] – ökonomisches Wachstum ausgebildet. – Dieses oberste Ziel wurde durch die zunehmende Ausbildung der Werte Erfolg, Status, Spaß, Freiheit und Autonomiemöglich gemacht. Im Straßenverkehr wurde der gesellschaftliche Ordnungsparameter durch Ordnungsparameter wie „Freie Fahrt dem Tüchtigen!“ oder „Freie Fahrt dem freien Bürger!“ umgesetzt. Dies mündete in eine entsprechende Ausgestaltung des Flächenfrasses, die Geschwindigkeitseuphorie, die Vernachlässigung des Schienenverkehrs, die Markt-Dominanz der Autoindustrie, usw.. Slogans wie „Das Beste oder nichts!“, „Freude am Fahren!“ oder „Vorsprung durch Technik“ sind von der Autoindustrie entsprechend adaptierte Ordnungsparameter der gesellschaftlichen und verkehrspolitischen Ordnungsparameter. – Mit den Jahren hat sich eine heute sehr stabile Ordnungsparameter-Hierarchie ausgebildet, untermauert von den sie stützenden Wertvorstellungen (Erfolg, Status, Spass, Freiheit und Autonomie).
Heute können wir jeden Tag erfahren, dass unser Straßenverkehr jeden Tag viele Kollapse hat und dass die Autos einen verschwenderischen ökologischen Fußabdruck von der Herstellung bis zur Verschrottung erzeugen. – Trotzdem ergeht sich die Politik in törichten Maßnahmen. – Ich glaube zwar, dass wir alle unseren Beitrag jeden Tag leisten sollten. – Jedoch ist es die Aufgabe der Politiker, ihrer gesellschaftlichen Führungsaufgabe gerecht zu werden. Dietrich Dörner, der sich seit Jahrzehnten als Wissenschaftler mit dem Denken in komplexen Situationen und Kontexten beschäftigt, schreibt kürzlich hierzu [5]:
„Welcher Berufsstand gefährdet Gesundheit und Leben der Menschen am meisten? Ist der Soldat am gefährlichsten? Nein, nicht der Soldat, auch nicht der Mafiosi (wenn man denn die Mafia als einen Berufsstand akzeptieren möchte). Auch nicht der Arzt, wie manche Leute meinen. – Wer dann? Nun, die größte Gefahr für Leib und Leben seiner Mitmenschen geht vom Politiker aus. …. …Fehler, die in der Politik gemacht werden, (sind) nicht einfach Fehler, sondern törichte Fehler.“
Auch Politiker sind „Kinder ihrer Zeit“! Falls sie keine Metakompetenz entwickelt haben – was man nach den in den Medien berichteten Gedanken und Aktion wohl überwiegend annehmen darf – dann machen sie einen törichten Fehler nach dem anderen [5]. Törichte Fehler (der Politiker) sind gekennzeichnet durch:
Die Politiker nehmen nicht wahr, dass sich unser Kontext seit den 70er Jahren dramatisch verändert hat (Wahrnehmungsabwehr und -verzerrung).
Ihr persönlicher politischer Ordnungsparameter „An der Macht bleiben“ hindert sie daran, in komplexen Zusammenhängen zu denken und zu handeln (Vereinfachungen bringen Wählerstimmen, das Phänomen des Populismus ist keine neues Phänomen, das man nur der AfD zuschreiben kann, Wahrnehmungsverzerrung, Realitätsleugnung und Vereinfachung gehören zum „Handwerkszeug“ jedes Politikers). – Zur Diskussion persönlicher Ordnungsparameter, siehe den Artikel „Interaction Patterns for the Digital Transformation in [6].
Sie zeigen Aktionismus, denn wer agiert ist präsent (siehe die „beScheuert“ wirkenden Gedanken und Aktionen unseres Verkehrsministers).
Und sie wenden sehr oft immer die gleichen einfachen, in der Vergangenheit erworbenen Methoden und Regeln an (Methodismus) (u.a. z.B. Arbeitsplätze haben Vorrang, das Auto ist des deutschen liebstes Kind, also nicht angreifen, …)
Was könnte man
tun? Dietrich Dörner sieht eine entscheidende Maßnahme: Ausbildung der
Politiker in komplexem Denken. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz, denn
wer sollte so etwas in die Wege leiten, wenn nicht die Politiker selbst. …Ich
ergänze dies um die aktive politische Auseinandersetzung mit den Parametern der
Selbstorganisation:
Transparente und bewusste Diskussion zu unseren Kontrollparametern: Dies bedeutet insbesondere eine Diskussion zu den Werten Erfolg, Status, Spaß, Freiheit und Autonomie und den daraus abgeleiteten Konsequenzen: Ist es sinnvoll, neben Autos weitere Verkehrsteilnehmer mit evtl. noch mehr Energieverbrauch einzuführen. Oder ist es notwendig Autos nicht mehr in erster Linie mit Erfolg, Spaß, Autonomie und Status zu verbinden, sondern eher mit Umweltverschmutzung und unbezahlten Rechnungen auf die Zukunft. Ist es evtl. sinnvoll, den Kontrollparameter „Anzahl an Autos“ zu limitieren, ähnlich wie den WIP im Agilen Management.
Transparente und bewusste Diskussion zu unseren Ordnungsparametern: Ist es sinnvoll, uns an einem quantitativen Wachstum auszurichten, sei es in der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelindustrie, der Pharmaindustrie, der Autoindustrie, usw. Oder ist es notwendig und sinnvoll z.B. die Landwirtschaft und Nahrungsherstellung nicht dem Diktat des globalen Wachstums und Handelns zu unterwerfen? Ist es also notwendig und sinnvoll, neue Ordnungsparameter zu kreieren, die qualitatives Wachstum hervorheben?
Wir haben es mit komplexen Zusammenhängen zu tun haben. – Und für die Gestaltung dieser komplexen Zusammenhänge benötigen wir die Fähigkeit zu komplexem Denken, das auf systemischem Verständnis beruht und agiles politisches Handeln ermöglich. – Also möglichst wenige törichte Fehler macht! – Dies kommt einer radikalen Trendwende im Kompetenzprofil der Politik aber auch auch der Gesellschaft gleich!
[Anmerkung]: Der Straßenverkehr wird oft als Beispiel für Selbstorganisation herangezogen: Gemeint ist die Selbstorganisation, die sich auf dem Straßennetz über die Autos einstellt: Der ungehinderte Verkehrsfluss entspricht dem sich selbst einstellenden Ordnungsparameter. Leider bildet sich dieser heute nur noch sehr selten aus. Es entstehen Staus, auch eine Form von „negativer“ Ordnung. Man könnte auch sagen, „das Ganze ist weniger als die Summe seiner Teile“. Ein Kontrollparameter wäre die bewusste Regulierung/Reduzierung von Verkehrsteilnehmern entsprechend der Verkehrssituation. – Dies geschieht in der Praxis nur sehr selten. – Anlässlich der Ölkrise in den 70er Jahren hat man so etwas zum letzten Mal flächendeckend gemacht. Rahmenparameter haben wir sehr viele: Die vielen Verkehrsregeln und ihre Umsetzung durch Verkehrszeichen, das Verkehrsnetz, die vielen Baustellen sowie der zunehmend geringere Verkehrsraum pro Verkehrsteilnehmer in den Innenstädten. In diesem Blog Beitrag diskutiere ich diese „nachgelagerte“ Selbstorganisation nicht, sondern eine Facette der gesellschaftlichen Selbstorganisation, die dieser Selbstorganisation „vorausgeht“. – Der Straßenverkehr ist also ein selbstorganisiertes Teilsystem einer Hierarchie von selbstorganisierten (Teil-) Systemen.
Unlängst hat der Soziologe Dirk Baecker ein Buch herausgebracht, das den Titel trägt „4.0 oder Die Lücke die der Rechner lässt“ [1].
4.0 – Grund genug, eventuelle Gemeinsamkeiten und
Verbindungen zwischen Soziologie 4.0 und Management 4.0 [3] aufzuspüren. Ich betrachte
hierzu neben [1] eine ältere Veröffentlichung [2], die wichtige Ergänzungen zum
soziologischen Verständnis des Begriffes „System“ enthält.
Die Sprache in [1] und [2] ist keineswegs einfach, aus meiner Sicht nicht selten kryptisch (d.h. u.a., dass Begriffe nicht klar definiert sind oder deren Verwendungen (mir) nicht nachvollziehbar erscheinen oder, dass Sätze Negationen von Negationen von …enthalten). Ich nehme in beiden Werken drei Sprachebenen wahr: Die Sprache, die den Bezug zur Alltagswelt herstellt, die Sprache eines Soziologen Luhmann’scher Prägung und eine Sprache, die naturwissenschaftliche Erkenntnisse wiedergibt oder verarbeitet. Bemerkenswert ist, dass immer wieder ein Thema in allen drei Ebenen ausgedrückt wird und die Suche nach der „Einheit“ von Natur, Technik und Gesellschaft überall durchschimmert.
In [1] analysiert Baecker die Entwicklungsstufen (1.0 bis 4.0) der Gesellschaft von der tribalen Gesellschaft (1.0 „Erfindung“ der Sprache), der antiken Gesellschaft (2.0 „Erfindung“ der Schrift), der modernen Gesellschaft (3.0 „Erfindung“ des Buchdrucks) zur nächsten (post-modernen) Gesellschaft (4.0 „Erfindung“ der elektronischen Medien). Um diese Gesellschaftsformen zu beschreiben, ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten verwendet er 26 Themen (dies sind u.a. Überschusssinn, Strukturform, Kulturform, …., Witz). – Ich gehe nicht auf diese 26 Themen ein, sondern vielmehr auf dahinterliegende Grundaussagen. – Die „Übersetzung“ dieser Themen in eine operationalsierbare und damit in der Praxis testbare Theorie sprengt bei weitem den Rahmen eines Blogbeitrages.
Die zeitliche und inhaltliche Zuordnung der Nummerierung 1.0
bis 4.0 entspricht nicht derjenigen der im Management 4.0 verwendeten [6]. – Mit
der Kennzeichnung 4.0, beziehen sich jedoch beide auf die nächste, sich gerade
entwickelnde Gesellschaftsform. Management 4.0 und Soziologie 4.0 enthalten sehr
viele gemeinsame Aussagen und stimmen in ihren Prinzipien (meines Erachtens)
überein.
Um dies zu zeigen, habe ich im Folgenden eine Reihe von Aussagen aus [1] und [2] herausgegriffen und damit eine Perspektive eingenommen, die sicherlich nicht vollständig ist, jedoch vielleicht einige wesentliche Aspekte der Soziologie 4.0 einfängt und die Verbindung zum Management 4.0 aufzeigt.- Meine Kommentare zu den Soziologie 4.0 Aussagen füge ich in kursiv hinzu:
„4.0 steht für die Gesellschaft elektronischer Medien und
nicht nur für die elektronischen Medien.“ [1, S. 30]
Hier taucht schon eine Sicht auf, die
Medien/Digitalisierung und Gesellschaft als „Einheit“ betrachtet und nicht als
etwas „Getrenntes“. Eine grundlegende Aussage, um die nächste, jetzt anstehende
Gesellschaft (ich verwende der Einfachheit wegen im Folgenden den Begriff post-moderne
Gesellschaft) zu verstehen.
„Eine Soziologie 4.0 ist eine Soziologie, die Trajektorien
im Netzwerk folgt und ein intensives Interesse daran entwickelt, wie Elemente
heterogener Art, vermittelt über Schnittstellen digitaler und analoger Art,
unwahrscheinliche Muster, Geschichten und Modelle bildet, an denen sich
Operationen orientieren, die im nächsten Moment zu Operanden werden.“ [1,
S.58].
Trajektorie heißt ein gesellschaftlicher, historischer,
wirtschaftlicher, ökologischer oder technologischer Entwicklungsverlauf [4],
und ist ein Begriff der in Natur-, Technik- und Sozialwissenschaften sehr
ähnlich verwendet wird. Er beschreibt den Entwicklungspfad von Systemen. Das
System der post-modernen Gesellschaft wird als heterogenes Netzwerk verstanden,
das Komplexität ausprägt (Muster, Geschichten und Modelle). Prozesse
(Operationen) wirken in diesem komplexen Netzwerk und werden in „höheren“
Prozessen weiterverarbeitet. – Dies deutet auf eine selbstreferentielle Entwicklung
zu „höheren“ Stufen hin. Der Begriff „emergente Phänomene“ taucht hier zwar
nicht auf, im Management 4.0 verbinden wir jedoch diese selbstreferentielle
Entwicklung mit Emergenz.
„Die sogenannte digitale Transformation (der Gesellschaft)
ist rekursiv und nicht-trivial. Sie verändert die Voraussetzungen, unter denen
sie stattfindet, und damit auch die Ziele, die sie verfolgt.“ [1, S. 61]
Dieser Satz führt die vorherige Aussage fort: Prozesse,
Regeln oder Strukturen der Transformation erbringen ein Transformationsprodukt,
das wieder Prozessen, Regeln und Strukturen ausgesetzt wird. Hierbei können
sich die Prozesse, Regeln und Strukturen, die das Produkt hervorrufen, schon
wieder verändert haben. In diesem Sinne liegt keine „ideale“ Rekursion vor. Im
Management 4.0 verwenden wir deshalb den Begriff der Selbstreferenzialität
(auch wenn wir wissen, dass das Selbst sich durch den Selbstbezug ändern wird).
Komplexität und Selbstreferenzialität sind im Management 4.0 die Basis von
Selbstorganisation und damit von emergenten Strukturen.
„Der gemeinsame Nenner von Wissenschaft, Natur und
Gesellschaft ist die Eigenschaft der rekursiven Komplexität.“ [1, S.137] „Rekursivität
ist die Voraussetzung jeder kontextuellen Berechnung, die die eigenen Ansätze
überprüft, indem sie sie im Material überprüft.“ [1, S. 138]
Hier wird mit dem Begriff der rekursiven Komplexität, der Natur, der Technik und der Gesellschaft ein gemeinsamer Nenner gegeben. – Mir ist allerdings nicht bekannt, dass es Komplexität ohne Rekursion gibt. – Der Begriff ist aus meiner Sicht ein Pleonasmus (weißer Schimmel): Komplexität beruht immer auf Feedback, also u.a. auf Rekursion. Im Management 4.0 gehen wir von der Grundannahme aus, dass die grundlegenden Prinzipien in Natur, Technik und Gesellschaft gleich sind. Die kontextuelle Berechnung unter Einbeziehung von Selbstreferenzialität („rekursiver“ Komplexität) führt im Kontext von Personen oder sozialen Systeme zur Selbstreflexion. Sie ist eine zentrale Basis des Agilen Managements.
„Als Einmalerfindungen liegt die Gesellschaft auf derselben
Ebene wie das Leben, das Gehirn, das Bewusstsein, vielleicht auch die Welt. Es
gibt sie, man kann sie beobachten und beschreiben, aber man kann sie nicht
erklären. Sie verdanken sich Symmetriebrüchen, wie man in der Physik
formuliert.“ [1 S. 143]
Hier wird Emergenz in seiner höchsten Form beschrieben. Diese
wird im Zusammenhang mit Symmetriebrüchen genannt. Nicht „Alles“ auf der
jeweiligen Stufe bleibt „symmetrisch“ vorhanden, sondern es wird eine Selektion
vorgenommen, also die Symmetrie im „Alles“ wird gebrochen. Dies führt zur
nächsten Entwicklungsstufe. Ein Symmetriebruch ist eine zentrale Voraussetzung
für die Ausbildung von Selbstorganisation (Prinzip 7) [5]
„Die soziologische Systemtheorie im Stile Luhmanns ist der
theoretische und nicht entschiedene Versuch, die Teleologie und die Teleonomie
miteinander zu verbinden, das heißt gesellschaftliche Institutionen als Einrichtungen
zu untersuchen, die sich teleonomisch ihr Gesetz selbst geben, um teleologisch
eine gesellschaftliche Funktion zu erfüllen.“ [1 S. 144] (Teleologisch ist
Phänomenen ein bestimmter Logos verordnet, teleonomisch geben sie sich ihre
Gesetze selbst. [1 S. 144])
Die soziologische Systemtheorie kann den „Unterschied“ zwischen teleonomisch und teleologisch nicht auflösen, da diese Form der Systemtheorie nur die Makroebene und nicht die Mikroebene kennt [5]. Über die Verbindung dieser beiden Ebenen lässt sich dieser Widerspruch (meines Erachtens) auflösen. In der sozialwissenschaftlichen Veröffentlichung vonStadelbacher und Böhle [6] wird die teleonomische Ausrichtung im Kontext der Selbstorganisation als autonome Selbstorganisation bezeichnet, eine von der Organisation selbstgeleistete, selbstbestimmte absichtliche Selbstorganisation. Die telelogische Ausrichtung wird als autogene Selbstorganisation, eine von der Organisation, in der Organisation nicht absichtlich herbeigeführte Selbstorganisation bezeichnet. Die Theorie der Selbstorganisation (u.a. die Synergetik) löst den „Widerspruch Teleologie-Teleonomie“ auf. Die Theorie der Selbstorganisation macht keinen Unterschied, ob die Systemparameter (Rahmen-, Kontroll- und Ordnungsparameter) absichtlich oder unabsichtlich gerade so sind, dass emergente Makrostrukturen entstehen. – Ich betrachte diesen „Widerspruch“ als Anzeichen der Reife einer wissenschaftlichen Disziplin: Die Thermodynamik war über viele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, eine phänomenologische Theorie der Makrostruktur von (makroskopischen) Objekten. Ludwig Boltzmann war im 19ten Jahrhundert derjenige, der auch die Mikroebenen-Sicht vertrat und diese mit der Makroebene zusammenbrachte. Er wurde Zeit seines Lebens hierfür angefeindet, so dass er sich wahrscheinlich deshalb das Leben nahm. Erst Einstein und die Quantenmechanik trug zur Auflösung dieser vermeintlichen „Widersprüche“ bei.
„Genügt dem Individuum in der modernen Gesellschaft
fachliche und soziale Kompetenzen sowie die Fähigkeit, zwischen Ihnen zu
wechseln, so benötigt es jetzt zusätzlich die Kompetenz der Selbstselektion.“
[1 S. 158]
Die Kompetenz der Selbstselektion bezeichnet im
Management 4.0 die Metakompetenz: Dies ist die Fähigkeit, sein Verhalten über
die höheren Ebenen der sogenannten Dilts-Pyramide (Vision, Mission,
Zugehörigkeit, Identität, Werte und Grundannahmen) dem Kontext entsprechend
selbst zu selektieren und entsprechend zu handeln [5], [3]. Diese
Selbstselektion ist die zentrale Fähigkeit, um in komplexen Umfeldern
Komplexität zu regulieren und Unsicherheit zu meistern.
„Man liebt sich, weil man ist, wer man ist, und keine Rolle
spielt, wer man ist. Liebe ist die andere Seite aller Verbreitungsmedien, die
eingeschlossene ausgeschlossene Wahrnehmung im Kontext des Ausschlusses der
eingeschlossenen Kommunikation.“ [1 S. 167]
Der erste Satz stellt wohl ein Beispiel für einen
allgemein verständlichen Satz dar, der im zweiten Satz abstrahiert wird. – Man
kann dies mit etwas Mühe nachvollziehen, jedoch erschließt sich (mir) der
Mehrwert der Abstraktion nicht wirklich.
Werte wie Liebe werden in der Soziologie 4.0 als Verbreitungsmedien angesehen.
– Werte sind also Medien, in denen sich Kommunikation verbreitet. Mit dem
Agilen Manifest wurde explizit der Übergang zu einer wertorientierten
Kommunikation eingeleitet. Die Gestaltung der Kommunikation über eine bewusste
und transparente Persönlichkeitsorientierung ist eine Basis des Management 4.0.
– Die Persönlichkeitsorientierung schließt nicht nur die Werteorientierung,
sondern alle eine Persönlichkeit ausmachenden Charakteristika mit ein. – Die
Quellen der Werte einer Gesellschaft sind also Menschen. Wir modellieren eine
Persönlichkeit mit der sogenannten Dilts Pyramide [3], [5]. Deshalb werden die
logischen Ebenen der Dilts Pyramide (Zugehörigkeit, Identität, Werte und
Grundannahmen) mit der Theorie der Grundbedürfnisse (Grawe Neuropsychiatrie), dem
Kultur- und Bewusstseinsmodell Spiral Dynamics, dem Modell des Schnellen und
Langsamen Denkens nach Kahneman und Tversky, dem Reiss Motive Profil sowie dem
MBTI Temperamentprofil ausgestaltet. Man kann das resultierende Feld der
Interaktion der Persönlichkeiten als ein Verbereitungsmedium oder ggf. als
mehrere Verbreitungsmedien mit unterschiedlichen Charakteristika ansehen.
„Die nächste Organisation ist entweder Plattform oder agil.
Sie ist entweder, wie oben bereits zitiert, Schnittstelle und Nutzer, System
und Programm, Bühne und Regelwerk, Standard und Abweichung, Zentrum und
Peripherie zugleich, oder Projekt in jenem Sinne der Philosophie eines agilen
Managements, die zugleich auf einen hohen Grad der Vertaktung von Organisation
und der Schaffung von Spiel- und Freiräumen setzt.“ [1, S. 173]
Dies entspricht vollständig dem Management 4.0 Ansatz. Für
die umfangreiche Ausgestaltung dieses Satzes im Sinne des Management 4.0
verweise ich auf Release 3 des Management 4.0 Handbuches [6].
„Im agilen Management ist das Projekt eine Art
internalisierte und strikt temporalisierte Plattform.“ [1 S. 176]
Dies entspricht vollständig dem Management 4.0 Ansatz. Die
Gestaltung von Raum und Zeit als Ausgestaltung des Rahmenparameters (Abschottung,
time boxing und PDCA-Zyklus) spielt für die Regulation von Komplexität u.a.
durch Selbstorganisation eine sehr große Rolle [6].
„Technische Objekte sind mitten unter uns. Und mehr Objekte
sind technisch, als es sich die Moderne mit ihrer Unterscheidung von Technik,
Natur und Gesellschaft träumen ließ. Im Grunde ist jedes Objekt, vom Faustkeil
über das Fell, den Stuhl und das Fahrrad bis zum Phasenprüfer und Smartphone
ein technisches Objekt der Herstellung von Einfachheit an der Schnittstelle von
Black Boxes, hinreichend komplexen Einheiten.“ [1 S. 185]
Dies entspricht einem der wichtigsten Glaubenssätze des Management 4.0: Hiernach löst sich der Glaubenssatz der willkürlichen Unterscheidungen von Natur, Technik und Gesellschaft in der post-modernen Gesellschaft auf, er wird obsolet und schließlich abgeschafft. Die post-moderne Gesellschaft ist für das Management 4.0 eine Gesellschaft in der gemäß der Spiral Dynamics Codierung die value meme gelb (vernetzt) und türkis (holistisch) ihre Wirkung entfalten.
„Die Abstraktion ist eine Vorstellung, die sich von der
Anschauung unabhängig macht, um in sie zurückzukehren. Sie ist nicht der
Sündenfall eines Verrats an der Lebenswelt, sondern ein Medium der Erkundung
dieser Lebenswelt.“ [1, S. 239]
Dies entspricht einem der wichtigsten Glaubenssätze des
Management 4.0: Ohne die Abstraktion ist keine Metakompetenz und damit keine
Selbstselektion möglich. Ein selbstbestimmtes Leben in einer komplexen Welt der
Netzwerke wäre damit verwehrt. Ich verweise auch auf meinen Blog-Beitrag „Vom
Unterschied, der den Unterschied macht: „Principles rather than processes are
what matter.”“ vom Juni 2019.
„Architektur und Kleidung, Praktiken und Routinen, kognitive
Schemata und institutionalisierte Selbstverständlichkeit. Sobald sie als das
Produkt eines Designs auftreten, absorbieren sie Ungewissheit, weil sie sich
verdächtigen und somit testen lassen.“ [1, S. 258]
Dies entspricht einem der wichtigsten Glaubenssätze des
Management 4.0: „Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie.“ Eine gute
Theorie liefert die Grundlage für ein bewusstes Design und reguliert damit
Komplexität, um Ungewissheit zu absorbieren. In [5] haben wir einen
verallgemeinerten PDCA Prozess eingeführt, um Hypothesen auszutesten und das
Design iterativ und bewusst zu gestalten.
Zusammenfassend stelle ich bisher fest, dass die Soziologie 4.0 und das Management 4.0 sehr viele Gemeinsamkeiten und Verbindungen besitzen und die Kennzeichnung über die 4.0 dies auch zum Ausdruck bringt.
Die Veröffentlichung zum Systembegriff [2] ist aus dem Jahre
2010. Sie enthält einige der Grundlagen, die in der Soziologie 4.0 zum Tragen
kommen. Ich verwende die gleiche Vorgehensweise wie oben, um [2] in seinen
Aussagen zu skizzieren:
…nach dem Tod der beiden größten Mathematiker, die sich mit
der Kybernetik beschäftigt haben, John von Neumann und Norbert Wiener, [waren] drei
Probleme der Kybernetik ungelöst liegen geblieben: das Problem unzureichender
statistischer Datenreihen, um neben technischen auch soziale Probleme mit den
Mitteln der Kybernetik lösen zu können; das Problem der Kopplung nichtlinearer
Oszillatoren; und das Problem kontinuierlich nichtlinearer Vorhersage.
Die o.g. drei Probleme wird man heute wohl nicht mehr
allein der Kybernetik, sondern eher der breiter aufgestellten Komplexitätsforschung
(inkl. Theorie der Selbstorganisation, Chaostheorie, Synchronisationstheorie) zuordnen.
Das Problem unzureichender statistischer Datenreihen, um soziale Probleme
quantitativ anzugehen, ist sicherlich immer noch vorhanden, jedoch befindet es
sich mit dem Thema von Big Data (und KI) in der Auflösung.- Hierzu gibt es
zahlreiche Beispiele, man siehe u.a. [7], [8]. Die Kopplung nichtlinearer
Oszillatoren ist ein aktuelles Forschungsgebiet, das u.a. über die durch
Synchronisation induzierte Selbstorganisation von gekoppelten Systemen und
komplexen Netzwerken enorme Fortschritte gemacht hat [9]. Der verwendete
Begriff „kontinuierlich nichtlineare Vorhersage“ entzieht sich so meinem
Verständnis. Ich interpretieren ihn so, dass damit die zukünftige Vorhersage in
nichtlinearen Systemen auf der Basis eines beliebigen Ausgangszustandes gemeint
ist. Auch hier wurden erhebliche Fortschritte gemacht [9], wenngleich jedes
komplexe oder chaotische Systeme Unvorhersehbarkeit in sich trägt und damit dieses
Problem wahrscheinlich nie ganz gelöst wird.
Dabei interessierte ihn [John von Neumann] in Diskussionen
mit Heinz von Foerster laut McCulloch insbesondere die Frage eines
Verständnisses der Selbstorganisation von Sternen, Kristallen und Organismen
auf der Grundlage eines Systembegriffs, der von informationaler Geschlossenheit
(bei energetischer Offenheit, das versteht sich von selbst) ausgeht.
Ich kenne kein System, das energetische Offenheit und
informationale Geschlossenheit hat. Energetische oder materielle Offenheit
führt auch immer informationale Offenheit mit sich. – Energie/Materie
transportiert Information. Die Aufnahme oder Abgabe von Information ist
wesentlich, damit sich Systeme an die Umgebung anpassen können.- Natürlich darf
die Offenheit nur so groß sein, dass sich das System selbst erhalten kann.
Aus der Frage, welche statistischen Zeitreihen komplexe
Phänomene beschreiben, wird die Frage, wie Systeme zählen und rechnen. Die
Frage nach der Kopplung nichtlinearer Oszillatoren wird übersetzt in die Frage
der symmetrischen Tauschfähigkeit unter den Werten, die die Zustände eines
Systems beschreiben. Und aus der Frage nach der kontinuierlich nichtlinearen
Vorhersage wird die Frage nach einer funktionalen Beobachtung, die in der Lage
ist, die Zustände eines Systems asymmetrisch zu ordnen und diese Ordnung nach
Bedarf auch wieder aufzulösen. Tausch und Ordnung laufen über eine Befähigung
des Systems zur Negation, die möglicherweise an dieselbe Erfahrung der
Inkommensurabilität und unreduzierbaren Komplexität der Komponenten des Systems
rückgekoppelt ist, die auch das Zählen ermöglicht, wenn nicht sogar erzwingt.
Die nachfolgende Tabelle listet diese zentralen Fragen, ordnet
diesen dann die abgeleiteten Fragen der sozialen Systemtheorie zu und skizziert
entsprechende Fragen des Management 4.0:
Zentrale
Fragen der Kybernetik
Abgeleitete
Fragen der sozialen Systemtheorie
Fragen im
Management 4.0
Unzureichende
statistische Zeitreihen oder das Beschreiben statistischer Zeitreihen
Wie zählen
und rechnen Systeme? Die Wahl der Verben „zählen und rechnen“
erschließt sich mir nur bedingt. Es geht um Wechselwirkung und damit
verbundene charakteristische Größen. In der Mathematik werden
Wechselwirkungen durch Operationen abgebildet. Zählen und Rechnen sind
sicherlich eine Form von Operationen.
Was sind
die zentralen Größen und deren Wechselwirkung? Und ist es auf der Basis
dieser zentralen Größen möglich, Zeitreihen für die zentralen Größen zu
definieren. Z.B. ist die Persönlichkeit eine zentrale Größe? Und durch welche
Variablen lässt sich diese beschreiben und welche Zusammenhänge gibt es
zwischen diesen Variablen -und wie ergibt sich aus den Persönlichkeiten und
evtl. anderen Größen (und welche sind die wichtigsten?) eine soziale
Makrostruktur?Zu charakteristischen Zeitreihen siehe man für Gruppen [10] oder für
social media Groß-Gruppen [7].People Analytics ist ein neues
Anwendungsgebiet, das auf Big Data und KI aufsetzt.- Man siehe hierzu auch
meinen Blog“#PAFOWLondon – People Analytics & Future of Work –
Deutschland, wo bist Du?“ vom April 2019
Kopplung
nichtlinearer Oszillatoren
Symmetrische
Tauschfähigkeit unter den Werten. Auch hier erschließt sich mir die
Wahl der Zuordnung nur bedingt: Gehe ich mal davon aus, dass es sich nicht
(allein) um materielle Werte (Gold, Aktien, usw.) handelt, sondern um
Kulturwerte, so geht es nicht nur um Tausch, sondern um Wechselwirkungen und
diese müssen auch keinesfalls vollständig symmetrisch sein.
Wie führt
die Kopplung nichtlinearer Agenten, u.a. deren Persönlichkeiten (u.a. die
Werte, aber nicht nur diese, s.o.) zu nichtlinearen Wechselwirkungen, die
wiederum nichtlineare soziale Felder ausbilden. In der Theorie der
Selbstorganisation ist die Kopplung nichtlinearer Oszillatoren/Agenten sehr
stark mit der Variation der sogenannten Kontrollparameter verbunden [5]. Man
siehe auch [9], [10].
Kontinuierliche
nichtlineare Vorhersage
funktionale
Beobachtung, die in der Lage ist, die Zustände eines Systems asymmetrisch zu
ordnen und diese Ordnung nach Bedarf auch wieder aufzulösen
Handlungen
auf der Basis des verallgemeinerten PDCA Zyklus ausgehend von
falsifizierbaren Hypothesen [5]. Ausgestaltung von Systemen mittels der acht Prinzipien der
Selbstorganisation [5] und Anwendung des verallgemeinerten PDCA Zyklus. Iterative, selbstkonsistente Ausbildung eines symmetriegebrochenen
Makrozustandes
Das, was sich in einem System zu einem System zusammenstellt
(griech. syn-histamein), greift aus dem System heraus, um innerhalb des Systems
eine Ordnung aufrechtzuerhalten oder herzustellen.
Dies entspricht in der Theorie der Selbstorganisation der Ausbildung von Ordnungsparametern und der damit verbundenen Emergenz von Makrostrukturen [5], [10], [9].
Mit der Kybernetik und ihrer Rezeption der mathematischen
Kommunikationstheorie Claude E. Shannons wird jedoch eine Mathematik verfügbar,
die für diese Ergänzungsbedürftigkeit einen eigenen Begriff hat, denjenigen der
Nichtlinearität, und die in der Lage ist, diesen Begriff auf die Beschreibung
von Gesamtsystemeigenschaften zurückzubeziehen, die mit Hilfe der Thermodynamik
nicht mehr mechanisch verstanden werden müssen, sondern als Zustände gemischter
Ordnung und Unordnung verstanden werden können. Der entscheidende Punkt hierbei
ist die Verwendung eines probabilistischen Ordnungsbegriffs, der sowohl den
Zufall als auch die Entscheidung zu inkorporieren erlaubt, und so erstmals den
Systembegriff auf die Spitze der Differenz eines Ereignisses stellt, bei dem
alles darauf ankommt, den Unterschied zwischen System und Umwelt zu verstehen
und zu verarbeiten. »Zufall « heißt einerseits Unsicherheit und andererseits
Material für abweichende Elemente und Operationen.
Damit ist klar, daß die Operationen eines Systems zwischen
das Rauschen und den Zufall einerseits und die Entscheidung und die
Beschreibung eines dafür passenden Möglichkeitsraums andererseits eingespannt
sind.
Die Theorie von Komplexität und Chaos ist eine deterministische Theorie. – Z.B. ist die rekursive (!) Gleichung, auf der die Mandelbrot Bäumchen basieren, eine deterministische Gleichung. Jedoch ist die numerische Sensitivität dieser Gleichung so enorm hoch, dass sich wohldefinierte chaotische Strukturen ergeben: Hiermit wird oft die Metapher verbunden, dass ein Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Hurrikan in New York auslösen kann. Ereignisse werden als „Zufall“ sichtbar, da sie andere (dominante) Ereignisse aufgrund einer gerade vorliegenden Systemkonstellationen mitauslösen: Der Flügelschlag des Schmetterlings (Zufallsereignis) löst aufgrund der aktuellen Wetterverhältnisse (Systemkonstellation) einen Hurrikan (neues Ereignis) aus. Natürlich können Systeme verschiedene „Mischungen“ von Ordnung oder Unordnung enthalten (was immer man auch als Ordnung oder Unordnung ansieht): Eine Gruppe von Personen votiert für A und eine andere Gruppe von Personen votiert für nicht-A. Aufgrund eines Ereignisses und der aktuellen Systemkonstellation kann das soziale Systeme in eine bestimmte dominante Struktur (Ordnung) wechseln: Alle votieren für A. Und natürlich ist es möglich und sinnvoll solche „Mischungen“ und deren Änderungen mit Wahrscheinlichkeiten zu belegen. Rauschen und Zufall können je nach Kopplungsstärke in Systemen, Systeme stabilisieren (u.a. zur selbstorganisierten Synchronisation führen) oder destabilisieren [9]. – Fehlende Informationen (auf Mikroebene) werden durch Aussagen zu Wahrscheinlichkeiten oder zu Wahrscheinlichkeitsverteilungen „kompensiert“.
Die Systemtheorie, so dann auch Niklas Luhmann, hat es mit
Prozessen einer »Konstitution von oben« zu tun, nicht einer »Emergenz von
unten«.
Die Systemtheorie hält sich damit an das Vorbild der
Thermodynamik.
Wie weiter oben schon skizziert, enthält die
Systemtheorie nach Luhmann meines Erachtens eine große Einseitigkeit in der Betrachtungsweise.
Die Thermodynamik hatte, wie schon erwähnt, sehr lange Zeit, aus der
„wissenschaftlichen Not heraus“ – d.h. das Wissen war noch nicht so weit –
ebenfalls diese einseitige Betrachtungsweise. Mit der statistischen Mechanik
oder Quantenmechanik hat sich ihre Betrachtungsweise seit Ludwig Boltzmann
erheblich erweitert.
Das muß nicht darauf hinauslaufen, das System als etwas zu
verstehen, was mehr ist als die Summe seiner Teile, wie eine allzu oft zitierte
aristotelische Formel holistischen Denkens lautet. Die Systemtheorie rechnet
auch mit der Möglichkeit, daß das Ganze, verstanden als System, weniger ist als
die Summe seiner Teile, und dies deswegen, weil die Teile eine höhere reflexive
Kraft haben als das Ganze. Sie profitieren davon, wenn man so sagen darf, daß
sie im Verhältnis zueinander mehr Probleme zu bewältigen haben als das Ganze.
In [5] skizzieren wir diese Aussage mit folgender Abbildung 1, sie ist eine Basis des Komplexitätsverständnisse im Management 4.0:
Abbildung 1: Komplexität und Entropie
Entscheidend ist das Verständnis des Systems als
intervenierender Variable.
Eine der griffigsten Möglichkeiten, diesen Sachverhalt der
nichtlinearen Reproduktion auf den Punkt zu bringen, besteht im Graph der
perturbierten Rekursion, wie ihn Peter Bøgh Andersen gezeichnet hat.
Abbildung 2: System-Rekursion: Auf der Basis von [2].
Die Bezeichnung jener Black box, die für die Verschaltung
von Rekursion und Perturbation verantwortlich ist, als »Prozeß« ist hier wie so
oft ein Verlegenheitsbegriff, der die Stelle besetzt, an der von
»Selbstorganisation« als dem entscheidenden Vermögen komplexer Phänomene die
Rede sein müßte. Immerhin jedoch können wir aus dem Graph die basale
Ungleichung der Systemtheorie ableiten, die das System, S, als Funktion seiner
selbst, S, und seiner Umwelt, U, beschreibt:
Diese Paradoxie, die mit jedem auf eine Umweltstörung reagierenden Schritt der Systemreproduktion S als S identifiziert und differiert zugleich, muß aufgelöst werden, wenn das System sich reproduzieren können soll, wobei man sich eine Entparadoxierung nicht nur in der Zeitdimension des Sinns, abhängig vom Zeitpunkt t, St≠ St‘, sondern auch in der Sachdimension, abhängig vom Beobachter b, Sb ≠ Sb’, und in der Sozialdimension, abhängig von der Differenz zwischen ego und alter oder zwischen Ich und Du, Sich ≠ Sdu, vorstellen kann.
Abbildung 2 skizziert schematisch eine
Selbstkonsistenzbedingung für ein (komplexes oder selbstorganisiertes) System.
Der Begriff Selbstkonsistenz ist hier enorm wichtig. Systeme zeigen, so lange
sie existieren, nie das Verhalten S ≠ S, denn dann höheren sie auf zu existieren. Die geforderte
Bedingung Selbstkonsistenz würde sich dann wie folgt ausdrücken S =! S, d.h.
das System muss sich konsistent selbst erzeugen. Natürliche, technische und
soziale Systeme kennen in der „Realität“ keine Paradoxie, Paradoxien entstehen
in unserem Verständnis (unseren Theorien und Modellen) der Systeme – nicht in
der „Realität“. Das Einführen von Variablen (Zeit, Beobachter, …) ermöglicht die
Einführung einer Änderung des Systems nach diesen Variablen. Zum Beispiel für
die Variable Zeit ergibt sich statt St ≠ St‘: dS/dt = S (S, U, t). Die Lösungen der
Differentialgleichung (wenn sie denn existieren) sind selbstkonsistente
Systemzustände.
Will man die Ergebnisse der Auseinandersetzung der Systemtheorie mit den ungelösten Fragen der Kybernetik zusammenfassen, so kann man festhalten, daß das System seine eigene Statistik aus einem Zählen gewinnt, zu dem es sich durch Negationen im Medium der eigenen inkommensurablen Komplexität befähigt. Das Problem der Kopplung nichtlinearer Oszillatoren wird von Sinnfiguren gelöst, die aus oszillierenden Unterscheidungen bestehen, deren Termini in je nach Bedarf und Findigkeit überraschenden und zwingenden Beziehungen zueinander stehen. Und das Problem der kontinuierlich nichtlinearen Vorhersage wird von funktionalen Bewertungen gelöst, die im Kontext der Beobachtung funktionaler Äquivalente stehen, die jede für sich die Frage einer unbekannten Zukunft sowohl aufwerfen als auch zu bearbeiten erlauben.
In Teilen wurde diese Zusammenfassung schon weiter oben
betrachtet. Hier kommentiere ich lediglich die Aussage „Kopplung nichtlinearer
Oszillatoren wird von Sinnfiguren gelöst“: Im Management 4.0 sagen wir, dass
die Wechselwirkung der Menschen über Kontrollparameter (Werte, Grundannahmen,
Temperament, Work-in-Progress) so einzustellen ist, dass sich ein
Ordnungsparameter (eine Ziel-Hierarchie: u.a. Vision, Mission, Zugehörigkeit)
einstellt, der Sinn vermittelt und daraus eine soziale Makrostruktur entsteht,
die wir als Collective Mind bezeichnen.
Man darf gespannt sein, ob die Mathematik Anschluß an diese
Rezeption mathematischer Ideen in der Systemtheorie finden wird.65
Deutlich ist bislang nur, daß der Rahmen der zweiwertigen Logik für diesen
Anschluß der Mathematik unzureichend ist. Doch offen ist, inwieweit eine
mehrwertige Logik semantischer Felder jene operative und kategoriale
Bestimmtheit erreichen kann, die es erlauben würde, den statistischen
Feldbegriff der Thermodynamik an den konstruktivistischen Systembegriff der
kognitionswissenschaftlichen Forschung aufschließen zu lassen. Entschieden ist
jedenfalls nichts.
65Es ist vermutlich kein Zufall, daß aktuelle
Formulierungen der Systemtheorie als Theorie komplexer Systeme (Santa Fe) nur
unter der Bedingung der Vermeidung einer Bearbeitung des Selbstreferenzproblems
mit einer mathematischen Modellierung kompatibel sind.
Mir erschließt sich diese Aussage nicht wirklich:
Operationalisierbare Theorien haben einerseits den Anspruch ein Modell zu
liefern, das möglichst nahe an der Realität ist und andererseits für die
Modelle auch (mathematische oder durch Simulation erhaltene) Lösungen
anzubieten. Falls die Modelle (bisher) keine Lösungen liefern, werden die
Modelle oft so einfach gemacht, dass Lösungen möglich sind. Die zitierte
Literatur greift aus diesem Grunde der Einfachheit wegen auch auf binäre
Modelle mit zwei Zuständen 1 und 0 zurück. – Dies entsprach auch schon vor 25
Jahren nicht mehr dem Stand der Erkenntnis und der mathematischen Technik. Die
mathematische Abbildung von Selbstreferenz wird in seiner einfachsten Form mit
S*S (x*x =x2) abgebildet und führt zur geforderten (rekursiven)
Komplexität (man siehe auch Abbildung 2).
Abbildung 3 zeigt eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Temperamentdimension Extraversion-Introversion im Persönlichkeitsmodell MBTI oder Big Five. Mit der Einführung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen löst sich die binäre Logik auf.- Selbstverständlich wird damit eine mögliche mathematische Theorie wesentlich anspruchsvoller (u.a. sehr viele Freiheitsgrade) und derzeit ist mir keine Theorie bekannt, die auf der Basis von Persönlichkeitspräferenzen über Wahrscheinlichkeitsverteilungen eine emergente soziale Makrostruktur ableiten könnte. – Gleichwohl wird unter einer mathematischen Beschreibung die Klarheit im Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen deutlich erhöht.
Abbildung 3: Wahrscheinlichkeitsverteilung für die
Temperamentausprägung Extrovertiert (E) und Introvertiert (I) mit vereinfachter
„zweiwertiger“ Wahrscheinlichkeitslogik (0,8 und 0,2)
Zusammenfassend sehe ich folgenden Nutzen für mein beispielhaftes
Schauen über den Tellerrand:
Das eigene Verständnis wird im Betrachten eines Sachverhalts
durch eine andere Brille wesentlich geschärft.
Fortschritt entsteht auch wesentlich aus
Transdisziplinarität: Andere Sichtweisen helfen eigene Blockaden zu erkennen
und damit zur Emergenz neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse beizutragen.
Dies setzt jedoch voraus, dass sich unterschiedliche
(wissenschaftliche) Disziplinen einer gemeinsamen Sprache oder zumindest einer
gemeinsamen sprachlichen Basis bedienen. – Wie in den obigen Ausführungen zu
sehen ist, ist die fehlende gemeinsame Sprache eine große Quelle für potentielle
Missverständnisse.
Dieser Blogbeitrag soll auch dazu beitragen in unserem Dialogforum „Projekte neu gedacht“, in dem verschiedenen Disziplinen um ein post-modernes Verständnis zu Projekten ringen, disziplinübergreifende Brücken zu bauen.
[1] Baecker Dirk (2018) 4.0 oder die Lücke die der Rechner
lässt. Merve Verlag, Leipzig
[2] Baecker Dirk (2010) System, erstveröffentlicht in:
Christian Bermes und Ulrich Dierse (Hrsg.), Schlüsselbegriffe der Philosophie
des 20. Jahrhunderts, Archiv für Begriffsgeschichte, Sonderheft 6, Felix Meiner
Verlag, Hamburg, 2010, S. 389-405 – ISBN 978-3-7873-1916-9, online:
www.vordenker.de Neuss 2018, J. Paul (Ed.), ISSN 1619-9324, URL: <
http://www.vordenker.de/dbaecker/dbaecker_system.pdf >
[3] Oswald A, Müller W (2019) Management 4.0 – Handbook for
Agile Practices, BoD Verlag, Norderstedt
[5] Oswald A, Köhler J, Schmitt R (2016) Projektmanagement
am Rande des Chaos, Springer, Heidelberg
[6] Stadelbacher S und Böhle F (2016) Selbstorganisation als
sozialer Mechanismus der reflexiv-modernen Herstellung sozialer Ordnung in
Böhle F und Schneider W, Subjekt-Handeln-Institution – Vergesellschaftung und
Subjekt in der reflexiven Moderne, Velbrück Wissenschaft, Weilerwist
[7] Centola D (2018) How
Behavior Spreads: The Science of Complex Contagions (Princeton Analytical
Sociology, Band 3), Princeton Univers. Press
[8] West G
(2017) Scale: The Universal Laws of Growth, Innovation, Sustainability, and the
Pace of Life in Organisms, Cities, Economies, and Companies, Penguin Press,
Kindle Edition
[9]
Boccalletti S, Pisarchik A N, Del Genio C I, Amann A (2018) Synchronization –
From Coupled Systems to Complex Networks, Cambridge University Press, Cambridge
UK
[10] Haken H and Schiepek G (2010) Synergetik in der
Psychologie: Selbstorganisation verstehen und gestalten, Hogrefe, 2010
Zurzeit schießen in Veröffentlichungen und Social Media die Vier-Schritt-Zyklen Modelle wie Pilse aus dem Boden (was nicht verwunderlich ist, man will ja smarter und agiler sein), z.B.:
OODA (Observe, Orient, Decide, Act),
ursprünglich aus dem Militärischen kommend als Entscheidungsschleife im Feld
gedacht, wird für das Agile Management diskutiert [1].
PPCO (Pluses (Vorteile), Potentials (Zukunftschancen), Concerns (Bedenken), Overcome Concerns (Überwinden der Bedenken)), gedacht als Modell um „Souveränität im Methodenwahn“ zu zeigen und Methoden auszuwählen, also gerade nicht immer eine „neue Sau durch’s Dorf zu treiben“ [2] – Ironischer Weise wird, um dies zu erreichen, gleich ein „neues“ Modell/Methode mitgeliefert.
BRDG (Break
a problem into parts or steps, Recognize and find patterns or trends, Develop
instructions to solve a problem or steps for a task, Generalize patterns
and trends into rules, principles, or insights) als Prozess Beschreibung für
das “Computational Thinking” eines “Algorithmic Leader’s” [3].
Auch die Agilen Handlungsrahmen basieren ganz wesentlich auf
einem PDCA (Plan Do Check Act) oder einem PDIA (Plan Do Inspect Adapt) Zyklus [4].
– Nicht wenige Agilisten legen großen Wert darauf, dass PDCA und PDIA zwei
völlig unterschiedliche Modelle sind, denn warum sonst hätte man zwei Namen.
Im Management 4.0 [4] und in [5] verwenden wir den PDCA für die kontinuierliche und situative Anpassung von Erfolgsfaktoren und Erfolgskriterien (siehe Abbildung 1) und schlagen auch ein Vier-Schritte-Transformationsmodell vor, das dem menschlichen kognitiven Prozess der situativen Anpassung folgt (Druckpunkte ausleuchten, Organisationale Rahmen-, Kontroll- und Ordnungsparameter extrahieren, Handlungsfelder des Collective Mind ausformulieren, Lernende Organisation einführen).
Abbildung 1: PDCA der Erfolgskriterien-Erfolgsfaktoren
Anpassung
Es stellt sich die Frage, sind dies alles unterschiedliche
Modelle bzw. Methoden oder ergäbe sich bei einer höheren Abstraktionsstufe eine
klarere und gleichzeitig einfachere Sicht.
Bevor ich die Frage beantworte, ein weiteres Beispiel des „Vielzahl-Methodenwahns“:
Im Linienmanagement und im Projektmanagement kennt man seit
vielen Jahren den Begriff der Ziel-Hierarchie.
Im Critical Chain Projekt Management kennt man seit mehr als
30 Jahren die Ziel-Hierarchie „Strategie- und Taktik-Baum“.
Auch der Agile Handlungsrahmen Scrum kennt Vision,
Sprint-Goal und User Strories ggf. Tasks usw..
Die Scaled Agile Frameworks arbeiten mit Story Maps bestehend
aus (Vision), Epics, Features, User Stories, usw..
In den letzten Monaten tauchen immer häufiger die
sogenannten OKR’s (Objectives and Key Results) auf, obwohl diese schon fast
zwei Jahrzehnten von google als Ziel-Hierarchie eingesetzt werden. Agile
Kollegen wundern sich, dass Scrum Teams, die schon lange mit Scrum arbeiten,
sich mit den OKR’s schwertun und gleichzeitig betonen sie den notwendigen
Kulturwandel, um mit OKR’s arbeiten zu können [6].
Auch wir verwenden in Management 4.0 eine Ziel-Hierarchie,
die bei einer Vision, einem „Großen Bild“ beginnt und wie ein Baum „unendlich
viele“ Verästelungen hat. Wir setzen die Verästelungen aus Bausteinen
(Fraktalen) von jeweils 3 Stufen zusammen (auf der jeweils dritten Ebenen
(Wie-Ebene) werden die „Teile“ zu je einem neuen „Big Picture“ für das nächste
Ziel-Hierarchie-Fraktal, siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Ziel-Hierarchie des Management 4.0
Wie beim o.g. Beispiel der Vier-Schritt-Zyklen Modelle
werden auch diese Methoden bzw. Modelle der Ziel-Hierarchie als „völlig
getrennte Welten“ wahrgenommen und als „neu und anders verkauft“.
Abstraktion ist das Schlüsselwort, um die „Vielzahl“
schrumpfen zu lassen. Walsh [3] postuliert als die Schlüsselkompetenz
von Führungskräften im Digitalen Zeitalter die Fähigkeit zur Abstraktion und
kristallisiert dies in der Aussage „Principles rather than processes are what
matter.” Mit dieser Feststellung gibt er auch indirekt gleichzeitig zu
verstehen, dass diese Schlüsselkompetenz heute bei Führungskräften nicht sehr
verbreitet ist. – Die Fähigkeit zur Abstraktion bezeichnen wir im Management
4.0 als Meta-Kompetenz. Hiermit meinen wir die Fähigkeit vom jeweiligen Kontext
einer Situation zu abstrahieren und auf der Basis von Werten, Grundannahmen und
Prinzipien fundamentale Erkenntnisse und dazugehörige Modelle kontextspezifisch
anzuwenden. – Wir nennen diese kontextspezifischen Ausprägungen von
fundamentalen Erkenntnissen und Modellen, Sozialtechniken.
Aus diesem Grunde sind alle Vier-Schritte-Zyklen Modelle kontextspezifische
Ausprägungen eines Modells, das wir der Einfachheit und dem Respekt der
Erstautorenschaft wegen, PDCA-Zyklus oder Deming-Kreis nennen: Entscheidend
ist, dass der PDCA-Zyklus eine iterative, validierende Anpassung des Handelns
in seiner allgemeinsten Form zum Ausdruck bringt. Bei entsprechender
Abstraktion ist es gleichgültig, auf welcher Zeitskala diese Anpassung
stattfindet. Im Feld aber auch in einer Sitzung, einem Workshop ist oft eine schnelle
und passende Aktion/Intervention erforderlich: Die Wahrnehmung, die Beobachtung
liefert den Hinweis für unser Gehirn um mittels Intuition (d.h. geronnener
Erfahrung, dies ist auch eine Form von vorgefertigtem Plan) eine
Aktion/Intervention einzuläuten, die dann auf ihre Wirksamkeit überprüft und
ggf. angepasst wird [5]. So gesehen, also bei entsprechender Abstraktion und
damit verbundener Meta-Kompetenz, gibt es keinen Unterschied zwischen den
verschiedenen Vier-Schritte-Zyklen. Es sind lediglich kontextspezifische
Anpassungen des gleichen Modells: Soll-Ist Vergleich bilden, Agieren,
Überprüfen, Anpassen.
Eine entsprechende Aussage gilt auch für das fundamentale
Modell der Ziel-Hierarchie. Für mich sind alle o.g. Ziel-Hierarchien Ausprägungen
der fraktalen Ziel-Hierarchie aus Abbildung 2. Jedoch, wenn diese
Ziel-Hierarchie Selbstorganisation unterstützen soll, dann muss die
Ziel-Hierarchie als Ordnungsparameter [4], [5] wirken. Das grundlegende
Prinzip, das wir in diesem Fall für jegliche Ausgestaltung der Ziel-Hierarchie anwenden,
ist das der Selbstorganisation. Nach der Theorie der Selbstorganisation sind
hierzu Rahmen-, Kontroll- und Ordnungsparameter auzugestalten.
Damit die Ziel-Hierarchie wirksam zur Ausbildung eines
Ordnungsparameter eingesetzt werden kann, müssen folgende Prinzipien umgesetzt
werden:
Die Ziel-Hierarchie als Informations-Hierarchie muss die
gesamte Organisation abdecken. Die organisationale Struktur (Hierarchie) muss
zur Informations-Hierarchie passen.
Die Ziel-Hierarchie muss transparent für alle Mitglieder
einer Organisation, horizontal und vertikal, selbstreflexiv entwickelt werden:
Teile der Ziel-Hierarchie dürfen also nicht von oben nach unten fix vorgegeben
werden, sondern die Informations-Hierarchie wird von oben nach unten und von
unten nach oben in einem PDCA-Zyklus überprüft und angepasst. Damit entstehen
Sinn und Motivation für alle Mitglieder einer Organisation, die Basis damit
sich der Ordnungsparameter ausbilden kann.
Diese Art des Arbeitens dürfte in den meisten Organisation einen dramatischen Kulturwandel notwendig machen, auch dann, wenn sie schon viele Jahre agile Techniken einsetzen. – Eine Erkenntnis, die sich bei entsprechender Abstraktion zwangsläufig ergibt. – Der Unterschied, der einen Unterschied macht, liegt also nicht in der Vielfalt der Ziel-Hierarchie Modelle, sondern in der souveränen kontextspezifischen Anwendung einiger weniger Prinzipien. – Agilität entsteht nicht auf Verhaltensebene bzw. Technikebene, sondern in der Abstraktion, Ebenen darüber.
[1] Wikipedia (2019) OODA: https://de.wikipedia.org/wiki/OODA-Loop,
zugegriffen am 24.06.2019, Anfang Juni 2019 in Linkedin diskutiert.
[2] Dietrich Sabine (2019) Schlau statt Sau – Souveränität
im Methodenwahn, ManagerSeminare, Heft 256, Juli 2019
[3] Walsh
Mike (2019) The Algorithmic Leader: How to Be Smart When Machines Are Smarter
Than You, März 2019
[4] Oswald Alfred und Müller Wolfram (Hrsg.) (2019) Management 4.0 – Handbook for
Agile Practices, BoD
[5] Oswald Alfred, Köhler Jens, Schmitt Roland (2016)
Projektmanagement am Rande des Chaos, Springer
[6] Weidemüller Arved (2019) OKR’s funktionieren nicht ohne
Kulturwandel, ManagerSeminare, Heft 256, Juli 2019