AI & M 4.0: Zur Erweiterung unserer Intelligenz und Realität durch Machine Learning (ML) und Artificial Intelligence (AI) im Management 4.0

Der ehemalige amerikanische Außenminister Kissinger sowie der ehemalige Google CEO Schmidt und der MIT Professor Huttenlocher haben zusammen vor ein paar Tagen ein bemerkenswertes Buch zu unserer Zukunft im Zeitalter der künstlichen Intelligenz herausgebracht. – Ich nenne wesentliche Aussagen dieses Buches [1]:

  • Machine Learning (ML) und Artificial Intelligence (AI) basieren auf völlig anderen Prinzipien als „klassische“ Software: Im Rahmen vorgegebener Selbstorganisations-Parameter (und Daten) organisiert sich eine AI selbst. – Sie bildet durch Training Modelle zu den eingegebenen Daten, also der ausgewählten Realität, ab. – Diese Modelle sind nicht perfekt, sie liefern Wahrscheinlichkeitsaussagen. – Und damit haftet diesen Modellen unmittelbar Unsicherheit an! – Gar nicht so unähnlich unserer Intelligenz!
  • Systeme künstlicher Intelligenz erkennen schon heute Muster in unsrer Realität, die unserer Intelligenz (bisher) verschlossen waren. – AI bildet erfolgreich Schachstrategien aus, die bisher kein Mensch verwendet hat oder findet wirksame Medikamente, die bisher unentdeckt geblieben sind, oder hilft Prinzipien der Physik und Mathematik zu entdecken usw. 
  • AI wird unsere Sicht auf die Realität wesentlich verändern, nicht nur quantitativ, sondern vor allem auch qualitativ! – Und dies in zweierlei Hinsicht: Die Entwicklung von AI sorgt für die Integration verschiedener Disziplinen wie Psychologie, Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften, Informatik, Mathematik sowie Philosophie und führt in den jeweiligen Disziplinen zu neuen Erkenntnissen und Anwendungen.
  • Gesellschaftliche Systeme werden sich substanziell unterschiedlich entwickeln, je nachdem, ob in welchem Maße und in welcher Qualität ML/AI eingesetzt wird. – Dies wird sich zum einen auf globaler Ebene zeigen, und zum anderen wird es auch eine neue „Schichtung“ der Gesellschaft(en) entlang der individuellen ML/AI Kompetenzen hervorrufen. – Derzeit gibt es nur zwei relevante ML/AI Ecosysteme: USA und China. – Und diese Ecosysteme formen mit ihren ML/AI Systemen unsere (europäische) Zukunft!

Falls jemand diese Aussagen anzweifelt, so möge er sich die Internetseite von DeepMind [2] oder der AI community DeepAI [3] ansehen – die Zweifel dürften sehr schnell verschwinden.

Seit ein paar Monaten konfiguriere bzw. programmiere ich ML/AI Systeme, also Physical Technologies. – Ich tue dies auf der Basis des amerikanischen ML/AI Ecosystems, insbesondere von Google’s Colab [4], Python [5] und Jupyter Notebooks [6]: Ich lote aus, inwieweit diese Physical Technologies helfen könnten, die Social Technology Management 4.0 gemäß den obigen Aussagen zukunftsfähig zu machen. – Das heißt, die Management 4.0 Intelligenz durch ML/AI quantitativ und qualitativ zu erweitern.

Im Tun wird einem sehr schnell bewusst, dass das europäische ML/AI Know-How ganz wesentlich vom amerikanischen ML/AI Ecosystem dominiert wird. – Das amerikanische ML/AI Ecosysteme von Google, Facebook/Meta Platforms, Microsoft und Co. ist überwältigend! – Es gibt eine Vielzahl an öffentlich zugänglichen Plattformen mit einer enormen Anzahl von vortrainierten ML/AI Modellen, unzähligen Tutorials und Code-Beispielen. – Selbst die Nutzung generativer Natural Language Processing (NLP) Systeme der neuesten Generation oder sogar die Anbindung an Quantencomputing ist prinzipiell möglich.

Das amerikanische ML/AI Ecosystem ermöglicht auch Personen wie mir, deren ML/AI Know-how Lichtjahre vom google Know-how entfernt ist, in überschaubaren Schritten in die ML/AI-Welt einzusteigen. Google, Meta Platforms, Microsoft und Co. haben damit einen gesellschaftlichen Innovations-Feedback Mechanismus angestoßen, der der (amerikanischen) Gesellschaft – zumindest einem gewissen Teil davon – einen enormen Innovationsschub gibt: Das ML/AI Ecosystem trägt zu immer schnelleren und qualitativ neuartigen ML/AI Entwicklungen bei, teilweise sogar zu ML/AI Technologie-Revolutionen – man siehe [2] und [3].

Auch wenn nicht wenige Europäer zum amerikanischen ML/AI Ecosystem beitragen, so wurde mir im Tun „schmerzlich“ bewusst, dass wir Europäer auf der Ebene der gesellschaftlichen ML/AI Ecosysteme keine Rolle spielen. – Auch wenn es „kleine“ lokale ML/AI Ecosysteme wie das Tübingen AI Center gibt [6].
Mir sind keine öffentlich zugänglichen europäischen ML/AI Plattformen bekannt. Gerade im Natural Language Processing (NLP) Bereich gibt es nur wenige vortrainierte Modell für europäische Sprachen oder die deutsche Sprache. (Nahezu) alle Tutorials sind in Code und Daten auf den Englisch-sprachigen Bereich ausgerichtet…Dies dürfte nicht nur mir sehr viel mühsame Transferarbeit bescheren!

Man mag das amerikanische ML/AI Ecosystem durchaus auch kritisch sehen, jedoch kann man Google und Co. mit ihrer ML/AI open source Philosophie nicht absprechen, dass Sie einen erheblichen Beitrag für die (ML/AI-) Entwicklung der amerikanischen und auch westlichen Gesellschaft leisten. Schaue ich auf die deutsche Unternehmenslandschaft, so zahlen unsere Unternehmen nach meinem Wissen auf kein gesellschaftliches ML/AI Ecosystem ein. – Unsere deutsche (unternehmerische) Gesellschaft wird nach wie vor von Silo-Denken, Silo-Geschäftsmodellen und Silo-Handeln bestimmt. Das heißt auch, dass gemäß [1] die Entwicklung der europäischen Gesellschaft über kurz oder lang einen Mangel an erweiterter Intelligenz und erweiterter Realität spüren wird, falls dieser Mangel nicht schon jetzt vorhanden ist.

Die obigen Aussagen aus [1] entsprechen meiner Erfahrung und Wahrnehmung und sind ein Motiv, sich um die Verbindung von AI und Management 4.0 (AI & M 4.0) zu kümmern: AI kann dem Projektleiter sowie dem Team assistieren und, was vielleicht noch viel wichtiger ist, mentale Feedback Mechanismen anstoßen, die die kognitive menschliche Projekt- und Management-Intelligenz erweitern. Damit geht einher, dass das menschliche Bewusstsein sich erweitert und mentale wie gesellschaftliche Transformationen angestoßen und begleitet werden. – Die wahrgenommene Realität insbesondere in komplexen Projekten wird sich nach meiner Einschätzung durch ML/AI erheblich erweitern.

Ich liste im Folgenden AI & M 4.0 Anwendungskategorien, die nach meinem aktuellem Wissensstand für das (Projekt) Management von Bedeutung sein werden.- Ich kennzeichne die Kategorien durch AI/ML und eine fortlaufende Nummer. – Man siehe hierzu auch die phasenorientierte Zuordnung von PM Aktivitäten und AI/ML Techniken in [8].

AI/ML 1 – Numerische Feature-Multilabel (supervised) AI: Ein Sachverhalt wird über numerische Datenkategorien (Features) beschrieben und Anwendungstypen oder Klassen (man spricht von Labels) zugeordnet. Zum Beispiel nimmt ein AI System eine Aufwands- oder Kostenschätzung vor. Hierzu werden die Aufgaben gemäß bestimmter numerischer Features beschrieben und einer Aufwandsklasse, also einem Label, zugeordnet. Supervised bedeutet hier, dass die AI mit einer Feature-Label Zuordnung trainiert wird, die durch Menschen vorher vorgenommen wurde. Hierbei ist es meines Erachtens jedoch nicht notwendig, zuerst jahrelang solche Zuordnungen, also Daten zu sammeln. Die AI könnte vielmehr in laufende Aufwandsschätzungen gemäß Delphi oder Planning Poker eingebracht werden, im Wissen, dass die AI sich wahrscheinlich langsam aufbaut.    

AI/ML 2 – Text-Multilabel (supervised) Natural Language Processing AI: Ein Sachverhalt wird über Text bzw. Sprache beschrieben und Labels zugeordnet. Auch eine Aufwandsschätzung könnte auf diese Weise durch AI vorgenommen werden.- Die zu schätzenden Aufgaben liegen als Textbeschreibungen vor und für das Training werden durch Menschen Label-Zuordnungen vorgenommen. Text und Label werden im AI-Training verarbeitet. – Die AI ist also in der Lage natürliche Sprache (Natural Language Processing (NLP)) zu verarbeiten. Ein anderes Bespiel ist die Analyse von Verhalten, beschrieben in Textform und die Zuordnung zu Persönlichkeitslabels (Temperament, Werten, Grundannahmen, Glaubenssätzen, Prinzipien). – Die nachträgliche Analyse von Verhalten durch niedergeschriebenen Text ist relativ „einfach“.  – Eine direkte Analyse der Kommunikation z.B. während einer Teamsitzung ist jedoch wesentlich anspruchsvoller und entzieht sich derzeit (noch 😉) meinem Kenntnisstand. – Selbstverständlich kann auf dieser Basis auch eine organisationale Kulturanalyse vorgenommen werden, indem die Kommunikation (Gesprochenes, Dokumente, eMail, Chat) im Team oder in der Organisation ausgewertet wird.  

AI/ML 3 – Graph Neural Networks bzw. Graphen-Multilabel (supervised) AI: Sehr viele Sachverhalte in Natur, Sozialem und Technik lassen sich über Graphen bzw. Netzwerke beschreiben [9, 10]. Soziale Systeme bzw. Organisationen lassen sich gut über Social Networks darstellen. Der Projektstrukturplan bzw. der Projektplan sind spezielle Graphen. Die Zielhierarchie ist eine weiterer Graph. Zum Beispiel lassen sich aus der Kommunikation der Stakeholder Social Networks ableiten und diese Social Networks oder Social Networks Bausteine werden mit Labels versehen und dienen dem Training von AI/ML. Ein anderes Beispiel ist die Extraktion der Zielhierarchie aus einer Teamkommunikation und die anschließende „Überprüfung der Einhaltung“ der Zielhierarchie in der Stakeholderkommunikation. Oder, das Social Network eines Teams wird Performance Labels (z.B. Hochleistung, mittlere Leistung, dysfunktionale Leistung) zugeordnet.  

AI/ML 4 – Team-Sprachanalyse (unsupervised) AI: Die Sprache in Teams oder Stakeholdergruppen wird auf Gemeinsamkeiten untersucht. So lässt sich u.a. aus der Wortwahl von Teammitgliedern u.a. mittels der Bag of Word und word embedding Technologien auf deren „mentale Verwandschaft“ oder das Collective Mind schließen.

AI/ML 5 – Generative NLP (unsupervised) AI: Mittels generativer NLP AI Systeme [11, 12] lassen sich u.a. Vertragsdokumente bzw. Claim-Dokumente mittels weniger von Menschen eingegebener zentraler Prinzipien generieren. Diese Systeme können auch dazu benutzt werden, Abweichungen (also Vertrags- und Claimrisiken) zu identifizieren.

AI/ML 6 – Clustering (unsupervised) AI: Die AI clustered numerische oder Textdaten. Diese Cluster zeichnen sich durch charakteristische Cluster Eigenschaften aus und erlauben damit das Erkennen von Mustern in den Daten. Auf diese Weise können zum Beispiel Projekte, Aufgaben oder auch Stakeholder geclustert werden. – Einen ersten Eindruck von der Fähigkeit Neuronaler  Netzwerke zu clustern, bietet die „Spielumgebung“ von Tensorflow [13].

Diese sechs Kategorien lassen sich auch kombinieren, sei es, um ergänzende Informationen zu erhalten oder eine sogenannte AI/ML Verarbeitungspipeline aufzubauen.

Ich erwarte, dass mit gewonnener Erfahrung diese sechs Kategorien detailliert werden und auch weitere Kategorien hinzukommen.

Ich verwende diese sechs AI/ML Kategorien, um AI & M 4.0 zu beschreiben: Ich tue dies unter Verwendung der IPMA ICB 4.0 Kompetenzen [14] bzw. der Kompetenzen des Handbuches Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM4) der GPM [15]. Die nachfolgende Tabelle listet AI & M 4.0. Die Tabelle ist sicherlich nicht vollständig. – Sie gibt den aktuellen Stand meiner Überlegungen wieder; sie dürfte sich also noch ändern.

Die Tabelle zeigt, dass schon heute mit entsprechendem Know-how die (Projekt) Management Intelligenz und Realität deutlich erweitert werden kann. – Mit einem AI Know-How, das im amerikanischen ML/AI Ecosystem abrufbar ist.

Die kursive Schrift in der Tabelle zeigt an, dass in diesen Fällen eine Bearbeitung durch die GPM Fachgruppe Agile Management begonnen wurde.

Perspective – KontextkompetenzenAI & M 4.0: Erweiterte Management 4.0 Intelligenz und Realität mittels ML/AI
Strategie 
Governance, Strukturen und Prozesse 
Compliance, Standards und RegularienAI/ML 5: Ermittlung von Compliance und Risiken durch den Abgleich von Projektartefakten und Compliance-Dokumenten sowie Standards und Normen
Macht und Interessen 
Kultur und WerteAI/ML 2: Ermittlung des organisationalen Mindsets (Kultur) durch vortrainierte Neuronale Netzwerke (NN): transkribierte Sprache und Texte werden mittels eines Transformermodells wie BERT [16,17] einer Text-MultiLabel Analyse unterzogen. – BERT ist eines der wenigen Modelle, das auch in einer deutschen Sprachversion verfügbar ist.   In einem zweiten Schritt kann diese Information dazu benutzt werden, um die Heterogenität der Kultur in einer Organisation zu ermitteln. In dem vorhergehenden Blog-Beitrag habe ich dies als „Spinglass-Organisation“ bezeichnet.     
People – Persönliche und soziale Kompetenzen 
Selbstreflexion und SelbstmanagementAI/ML 2: Die Selbstreflexion und das Selbstmanagement wird durch einen Feedback Mechanismus zwischen AI und Projektmanager oder Teammitglied angestoßen. Die AI erweitert die Metakompetenz des PM und der Teammitgliedern, indem den Verhaltensweisen durch die AI Persönlichkeitsdimensionen (Temperament, Motive, Werte, Glaubenssätze) zugeordnet werden.
Persönliche Integrität und Verlässlichkeit 
Persönliche KommunikationAI/ML 2: Die Realität der Kommunikation verändert sich auf der Basis der veränderten Selbstreflexion. Zudem liefert die AI Informationen zu den Persönlichkeitsdimensionen aller kommunizierenden Teammitglieder.
Beziehungen und Engagement 
FührungAI/ML 2: Die Führungs-Metakompetenz wird erheblich erweitert, da Selbstreflexion und Kommunikation deutlich verbessert werden. – Die Decision Intelligence wird deutlich erweitert.   AI/ML 4: Die Team-Sprachanalyse ermittelt Gemeinsamkeiten und hilft Dysfunktionalitäten aufzudecken.   AI/ML 3: Social Networks werden mittels GNN (Graph Neural Networks) analysiert und gelabelt. Dies kann auf Teamebene und auf der Ebene aller Stakeholder erfolgen.
TeamarbeitAI/ML 4: Die Stärke des Collective Mind wird durch einen „Statthalter“ also eine proxy Collective Mind (proxyCM) abgebildet: CM ~ proxyCM. Als proxyCM können verschiedene Modelle dienen: Transkribierte Sprache von Teammitgliedern werden mittels sklearn [18] (Native Bayes Classification) den Teammitgliedern zugeordnet. Desto eindeutiger die Zuordnung ist, desto geringer ist das CM, oder anders ausgedrückt, falls ein Text mehreren Teammitglieder zugeordnet werden kann, so besteht ein „inhaltlicher Überlapp“. – Der proxyCM ist größer.   Des Weiteren können Redefrequenz und Redelänge als weitere Indikatoren für den proxyCM verwendet werden.   Mittels einer Bag of Word oder Word Vector Embedding Analyse [18, 19, 20, 21] wird die Wortwahl der Teammitglieder analysiert. Unterschiedliche Wortwahlen unterschiedlicher Teammitglieder zeigen ein schwaches proxyCM an, oder umgekehrt lassen ähnliche Begriffsschwerpunkte auf ein starkes proxyCM schliessen.    
Konflikte und KrisenAI/ML 2, 3, 4: Diese AI Erweiterungen der PM Intelligenz bzw. Metakompetenz sind auch gerade in Konflikten und Krisen von enormer Bedeutung
Vielseitigkeit 
VerhandlungenAI/ML 2, 3, 4: Diese AI Erweiterungen der PM Intelligenz bzw. Metakompetenz sind auch gerade in Verhandlungen von enormer Bedeutung. AI/ML 5: Zusätzlich ist es hilfreich Vertrags- und Claim-Dokumente einer AI Überprüfung zu unterziehen.
Ergebnisorientierung 
Practice – Technische Kompetenzen 
ProjektdesignAI/ML 6: Die AI ermittelt Komplexitätsklassen auf der Basis von numerischen und/oder textuellen Daten. Die Komplexitätsklassen sind die Basis des Projektdesigns
Anforderungen und Ziele 
Leistungsumfang und Lieferobjekte 
Ablauf und Termine 
Organisation, Information und Dokumentation 
Qualität 
Kosten und FinanzierungAI/ML 1, 2: Die Ermittlung von Aufwänden und Kosten gehört zu den „einfachen“ AI/ML Techniken. Lediglich die Beschaffung von Trainingsdaten ist vermutlich schwierig, da archivierte Projektdaten selten vorliegen.
Ressourcen 
Beschaffung 
Planung und SteuerungAI/ML 1: siehe Kosten und Finanzierung
Chancen und Risiken 
StakeholderAI/ML 2, 3, 4: Diese AI Erweiterungen der PM Intelligenz bzw. Metakompetenz sind für das Stakeholdermanagement von enormer Bedeutung
Change und TransformationAI/ML 2, 3, 4, 5: Hier können nahezu alle AI Techniken zum Einsatz kommen, um eine valide Entscheidungsbasis für Interventionen zu haben.
Tabelle: AI & M 4.0 unter Verwendung der ICB 4.0 / PM4 Kompetenzen

Die GPM Fachgruppe Agile Management sucht Mitglieder, die bereit sind, in die Untiefen 😉 der AI Erstellung, des Trainingsdaten Sammelns oder sogar der Anwendung im eigenen Unternehmen einzusteigen! – Wir freuen uns über eine Kontaktaufnahme unter agile-management@gpm-ipma.de!

[1] Kissinger HA, Schmidt E, Huttenlocher D (2021) The Age of AI: And Our Human Future, kindle edition
[2] DeepMind (2021) deepmind.com, zugegriffen am 02.12.2021
[3] DeepAI (2021) deepai.org, zugegriffen am 02.12.2021
[4] Colab (2021) https://colab.research.google.com/
[5] Python (2021) https://www.python.org/
[6] Jupyter Notebooks (2021) https://jupyter.org/, zugegriffen am 02.12.2021
[7] Tübingen AI Center (2021) tuebingen.ai, zugegriffen am 02.12.2021
[8] Nuhn H (2021) Organizing for temporality and supporting AI systems – a framework for applied AI and organization research, Lecture Notes in Informatics, GI e.V
[9] Veličković P (2021) Introduction to Graph Neural Networks, https://www.youtube.com/watch?v=8owQBFAHw7E, zugegriffen am 02.12.2021, man siehe auch petar-v.com
[10] Spektral (2021) https://graphneural.network/, zugegriffen am 02.12.2021
[11] GPT-3 (2021) https://openai.com/blog/openai-api/, zugegriffen am 09.12.2021
[12] Gopher (2021) https://deepmind.com/blog/article/language-modelling-at-scale,
[13] Neuronales Netzwerk „zum Spielen“ (2021) https://playground.tensorflow.org, zugegriffen am 02.12.2021
[14] GPM (2017) Individual Competence Baseline für Projektmanagement, IPMA, Version 4.0 / Deutsche Fassung
[15] GPM (2019) Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM4), Handbuch für Praxis und Weiterbildung im Projektmanagement
[16] Tensorflow (2021) google Entwicklungsplattform, https://www.tensorflow.org, zugegriffen am 02.12.2021
[17] BERT (2021) NLP Transformer Model BERT, https://huggingface.co/models, zugegriffen am 02.12.2021
[18] Scikit-learn (2021) https://scikit-learn.org/, zugegriffen am 02.12.2021
[19] Gensim-word2vec (2021) https://www.kaggle.com/pierremegret/gensim-word2vec-tutorial, zugegriffen am 02.12.2021
[20] Word-Vector-Visualisation (2021) https://www.kaggle.com/jeffd23/visualizing-word-vectors-with-t-sne/notebook, zugegriffen am 02.12.2021
[21] Spacy (2021) https://spacy.io/models/de, zugegriffen am 02.12.2021          

Cultural Entropy: Corona deckt unsere Werte auf!

Seit vielen Jahren gehören Kulturmodelle zu meinen Handwerkszeugen [1], [2]. In [1] haben wir das Kulturmodell von Hofstede, das von Schein und das Bewusstsein- und Kulturmodell Spiral Dynamics integriert. Spiral Dynamics haben wir sogar mit dem Konsistenzmodell der Grundbedürfnisse der Neuropsychologie nach Grawe verbunden. Dies ist eine der wesentlichen Grundlagen von Agiler Führung 4.0.

Nach Jahren bin ich durch die GPM mal wieder mit dem Kulturmodell von Richard Barrett [3], [4] in Berührung gekommen. Barrett hat ehemals den Begriff „Cultural Entropy“ geprägt.- Als Physiker wollte ich etwas genauer wissen, was er unter Cultural Entropy versteht und ob ihm gelungen ist, woran schon einige gescheitert sind, nämlich den Begriff Entropie „sauber“ auf soziale Phänomene und sogar Kultur zu übertragen.

Dass es so viele Kulturmodelle gibt, hat nichts damit zu tun, dass das Thema Kultur eventuell schwierig zu fassen ist, sondern mit der Tatsache, dass die Modelle kommerziell genutzt werden und durch Copyright geschützt werden. Falls jemand, wie z.B. Barrett, mit einem (vorhandenen guten) Kulturmodell (kommerziell) arbeiten möchte, bleibt ihm meist nicht anderes übrig, als ein vermeintlich neues Modell zu kreieren. Dieses Modell unterscheidet sich aber nur geringfügig von den anderen Vorgängermodellen. So ist im Fall des Modells von Barrett der Bezug zu Spiral Dynamics und auch zur Dilts Pyramide im NLP mehr als nur offensichtlich; beide werden aber mit keinem Wort in [4] erwähnt.

Vor Jahren konnte ich dem Modell von Barrett nicht viel abgewinnen, inzwischen revidiere ich meine Ansicht weitgehend. Die Arbeiten des Barrett Value Center zeichnen sich durch folgende Ergebnisse bzw. Aussagen aus:

  • Tausende von „Werte-Vermessungen“ in Organisation belegen, dass Organisationen mit einem positiven Werteprofil über ökonomische Kennzahlen verfügen, die ca. 3-4mal besser sind als diejenige anderer Unternehmen. – Das deckt sich mit unseren Erfahrungen, man siehe hierzu [2].
  • Die „Werte-Vermessung“ unterscheidet zwischen „guten“ und sogenannten limitierenden Werten bzw. Verhaltensweisen. In der Abbildung unten ist das Barrett Bewusstseins- und Kulturmodell zu sehen. Die Evolutionsstufen des Modells haben eine sehr große Ähnlichkeit zu denjenigen von Spiral Dynamics. Die limitierenden Werte sind rot gekennzeichnet. Zu ihnen gehören: Level 1: Violence, Greed, Corruption, Control, Authoritarian, Caution; Level 2: Blame, Jealousy, Judgement, Conflict, Gossip, Being liked, Demanding, Internally competitive; Level 3: Arrogance, Status, Power, Rigidity, Long hours, Image. Wie man aus diesen Listen unschwer erkennen kann, verwendet Barrett auch limitierende Verhaltensweisen als Werte, was von der Systematik her nicht ganz sauber ist.
    Nur die Bewusstseins-Evolutionsstufen 1-3 enthalten hiernach limitierende Werte. Zu den “guten” Werten gehören u.a. aus dem Agilen Management bekannten Werte, wie Transparenz, Offenheit, Mut, Vertrauen usw.. – Die Ähnlichkeit geht auch noch weiter, denn auf den Ebenen 6-7 tauchen auch Begriffe aus dem Agilen Management auf wie Servant Leadership oder Meaning. – Man beachte welche enorm hohen Bewusstseins-Anforderungen damit an Agile Führungskräfte gestellt werden.
  • Sehr oft wurden die “limitierenden” Werte in der Kindheit grundgelegt und entspringen im wesentlichen verschiedenen Formen der Furcht. Barrett schreibt hierzu [4]: “Love is the great connector, whereas fear is the great separator.”
  • Das Verhältnis von limitierenden Werten zu allen Werten (also limitierenden plus “guten” Werten) über alle Mitglieder einer Organisation oder einer Gesellschaft ist gleich der Cultural Entropy. Das Verhältnis von limitierenden Werten zu allen Werten einer einzelnen Person wird als Personal Entropy verstanden. Deshalb wird die Cultural Entropy und die Personal Entropie auch über Prozent (%) angegeben. Man kann nachvollziehen, dass „limitierende“ Werte die Unordnung vergrößern oder besser die Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen. Im Management 4.0 reden wir davon, dass die Kontrollparameter (u.a. WIP sowie Persönlichkeitsorientierte Kommunikation, die u.a. Temperament, Motive, Werte und Grundannahmen berücksichtigt) schwer gestört sind und sich damit über einen Ordnungsparameter (also Sinn: Vision, Mission und Zweck) keine ganzheitlich nachhaltige sowie gleichzeitig adaptive Ordnung ausbilden kann. In diesem Sinne kann man mit etwas gutem Willen von Entropie-Erhöhung sprechen.
Barrett Value Modell und Spiral Dynamics Zuordnung
  • Barrett verortet die Ursache für Cultural Entropy wie kaum ein anderer Kulturmodell-Autor in der Personal Entropy. Er schreibt hierzu: “In my opinion, the root cause of all these corporate scandals is the short-term fear-driven values of the leaders, who are more focused on their own self-interest and the share price of the company than on caring for the long-term interests of investors…The Cultural Entropy score is a reflection of the Personal Entropy of the supervisors, managers and leaders of the organization, and the legacy of the Personal Entropy of past leaders which has been institutionalized into the structures, policies, processes and procedures of the organization… What I am effectively saying is that the culture of an organization is a reflection of the level of psychological development of the leader(s). Similarly, the culture of a department is a reflection of the level of psychological development of the director of the department, and the culture of a team is a reflection of the level of psychological development of the team leader.”
  • Die Fähigkeit bzw. Kompetenz mit Komplexität und der damit verbunden Unsicherheit umzugehen, hängt von der Verteilung an Werten ab: Sind lediglich Werte der Level 1-3 bei einer Person oder Organisation vorhanden, ist die entsprechende Kompetenz mit Komplexität umzugehen sehr gering. Barrett schreibt: “Low complexity work is best carried out by people who have not yet individuated, who are looking to satisfy their basic needs. Medium complexity work that requires initiative and is full of challenges is best carried out by those who have individuated. Highly complex work that requires a high degree of creativity and intuition is best carried out by those who are self-actualized and are now integrating or serving… Not everyone has the ability to attain full spectrum personal consciousness, and even fewer have the competencies to attain full spectrum leadership. This should not prevent us from trying to become the best we can become.” Er geht auch soweit zu sagen, dass die Kompetenz, die Stufen 1-7 des Bewusstseins zu erklimmen auch mit dem Alter wächst: Die Stufen 6 und 7 zu erreichen, behält er im Wesentlichen 60+-jährigen vor.
  • Die gesellschaftliche Verteilung auf die drei großen Kompetenzbereiche Socialied Mind, Self-Authoring Mind und Self-Transformation Mind, nämlich von ungefähr 50% : 30% : 20%, entspricht auch den „Messungen“ von Spiral Dynamics und deckt sich mit meinen Erfahrungen aus vielen Trainings und Coachings: Das Einsetzen des Self-Authoring Minds bezeichne ich als „es hat klick gemacht“. Er betont, dass es nur recht kleine Unterschiede in der Verteilung in Abhängigkeit von der Führungsebene gibt. Oder anders ausgedrückt, ca. 50% der Top-Führungskräfte eines typischen Unternehmens befinden sich nur auf Stufe 1-3 der Bewusstseinsmodells und erzeugen damit im gesamten Unternehmen durch ihre hohe Personal Entropy eine hohe Cultural Entropy.

Ich schließe mich diesen obigen Aussagen von Barrett im Wesentlichen an.- Sie decken sich mit meinen Erfahrungen aus Beratung, Training und Coaching. – Sie sind auch Teil meiner Management 4.0 Trainings. Das neue Training Metakompetenz Selbstorganisation 4.0 trägt diesem besonders Rechnung: Es ist aus dem Wunsche erwachsen, zur persönlichen und organisationalen Potentialentfaltung beizutragen, indem es die Bewusstseinsevolution anstößt [5].

Corona führt uns meines Erachtens eindringlich vor Augen, wo wir aktuell mit der Bewusstseins-Entwicklung der Gesellschaft stehen und welche Auswirkungen Megatrends wie Globalisierung und Konnektivität haben. Die Häufung von Epidemien oder sogar Pandemien und aktuell Corona haben sehr viel mit der Globalisierung und Konnektivität zu tun (u.a. wir reisen viel und gerne; wir müssen reisen, weil der Beruf es erfordert) und selbst die Reaktionsfähigkeit lokaler Systeme (u.a. Beschaffung von lebenswichtigen Waren wie Medikamenten, Nahrungsmitteln und Schutzmasken, Austausch anderer Waren wie Maschinen) ist hierdurch massiv betroffen.

Es gibt eine Welle von Hilfsbereitschaft und Solidarität, aber auch eine Welle von Verhaltensweisen, die durch Ich-Bezogenheit, Angst und Furcht (u.a. Hamsterkäufe, auch mit tätlicher Gewalt) aber auch Arroganz (u.a. Treffen in Parks, Corona-Parties, Autorennen bei Nacht auf leeren Stadtstraßen) geprägt sind. Hierzu zählen auch Verhaltensweisen, die Wissenschaft zu negieren, Fake News zu hofieren, einfache Schuldzuweisungen vorzunehmen oder sogar Personen aus Krisengebieten verbal oder tätlich anzugreifen. – Scobel hat hierzu ein sehr eindringliches Video verfasst [6].

Dieses Entropie-erzeugende Verhalten ist Ausdruck der Bewusstseinsstufen 1-3 und deren limitierender Werte bzw. Verhaltensweisen. – Diese Werte tauchen also nicht plötzlich auf, sie bestehen meistens (schon) viele Jahre und werden je nach Kontext und Zeit sichtbar. – Bei Gelegenheit gibt es Autorennen in Städten und fahren mit 50 km/h in Spielstraßen.
Scobel geht deshalb auch soweit zu fordern, dass Ausgangssperren kommen müssen, da das Bewusstseinsniveau vielfach nicht ausreicht sich selbst zu organisieren!

Plötzlich bekommen auch Personen wie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bundesweit Gehör – sie werden auch für ihre Entscheidungsfreude und Durchsetzungskraft gelobt. Jedoch ist Vorsicht geboten, denn es stellt sich die Frage, ob diese Personen aus einem Bewusstseinsniveau jenseits des Level 4 handeln (siehe Abbildung), oder ob sie handeln, weil ihre eigenen Werte, geprägt von Level 1-3, gerade zur aktuellen Situation passen, die einen „starken Mann“ oder „ eine „starke Frau“ fordert.- Im Donaukurier wird Söder mit der Überschrift „Gott schütze unsere Heimat“ zitiert [7]. – Ich habe starke Zweifel, dass dieses Zitat Ausdruck eines transformativen oder gar ganzheitlichen Bewusstseins ist!

Corona ist sicherlich eine nicht zu unterschätzende Krise, jedoch haben wir den Tipping Point und dessen Auswirkungen noch! weitgehend in eigener Hand; den Tipping Point des Klimas haben wir zwar jetzt hoffentlich auch noch in der Hand, jedoch wenn dieser! erreicht ist, dann gibt es kein Zurück mehr, und das für wahrscheinlich viele Generationen. – Ich messe unsere politische Führung an dieser Weitsicht!

 

[1] Oswald A, Köhler J, Schmitt R (2016) Projektmanagement am Rande des Chaos, Springer, Heidelberg

[2] Oswald A, Müller (Hrsg.) (2019) Management 4.0 – Handbook for Agile Practices, Release 3, BoD Verlag, Norderstedt

[3] Barrett Values Center (2020) https://www.valuescentre.com/, zugegriffen am 20.03.2020

[4] Barrett R (2017) The Values Driven Organization, 2nd new edition, kindle, Routledge

[5] Oswald A (2019) Metakompetenz Selbstorganisation 4.0 im Blog https://agilemanagement40.com/metakompetenz-selbstorganisation-4-0, zugegriffen 20.03.2020

[6] Scobel G (2020) Corona – was es über unsere Gesellschaft verrät https://www.youtube.com/watch?v=G2BWraDlpFA

[7] Kain A (2020) Donaukurier,  https://www.donaukurier.de/nachrichten/bayern/Gott-schuetze-unsere-Heimat;art155371,4529305, zugegriffen am 22.03.2020