Ich habe vom 24.04.- 25-04.2019 an der Konferenz PAFOW – People Analytics – Future of Work teilgenommen. Unter einigen hundert Teilnehmern war ich einer der wenigen deutschen Teilnehmer (ich schätze max. 10 deutsche Teilnehmer), die an dieser Konferenz teilgenommen haben. – Die anglo-amerikanische Präsenz in den Teilnehmern und auch den Ausstellern war allgegenwärtig, auch wenn die USA eine eigene Konferenz mit gleichem Titel haben. – Lediglich ein Aussteller aus Berlin, das Startup bunch.ai, war anwesend.- Wobei dieses Startup seine Kunden nicht in Deutschland sieht, sondern in den USA.
Wikipedia definiert People Analytics wie folgt [1]:
People Analytics is using behavioral data to understand how people work and change how companies are managed. …Analytics is the discovery, interpretation, and communication of meaningful patterns in data; and the process of applying those patterns towards effective decision making. In other words, analytics can be understood as the connective tissue between data and effective decision making, within an organization. Especially valuable in areas rich with recorded information, analytics relies on the simultaneous application of statistics, computer programming and operations research to quantify performance.
Die Verwendung von (anonymisierten) personenbezogenen Daten ist also der Schlüssel zu People Analytics. – Damit wird schnell klar, warum ich auf der PAFOW des Öfteren hörte: „Was wir machen, können wir fast überall machen, nur nicht in Deutschland“. Gleichwohl erfahren die Anbieter auch in anderen Ländern Gegenwind.- Sie waren wohl in der Anfangszeit zu Technologie-enthusiastisch. – Inzwischen rät einer der People Analytics Promotoren [2] dazu, eine Ethics Charter kombiniert mit einer wirksamen Governance zu implementieren, bevor man mit der Technologie beginnt. Denn sie haben die Erfahrung gemacht, dass zwischen „Daten und Erkenntnissen“ und daraus abgeleiteten Maßnahmen/Aktionen ein großes Gap liegt. – Eigentlich eine Erkenntnis, auf der gutes Projekt Management beruht: Ein fantastisches Projektergebnis ist nur so gut, wie dieses von den Stakeholdern angenommen wird. – Die „betroffenen“ Stakeholder fragen sich, welche Daten verwendet werden, was mit den Daten gemacht wird und welche Erkenntnisse man aus diesen ziehen kann bzw. ziehen wird. In nicht wenigen Fällen muss es sogar vorgekommen sein, dass People Analytics Erkenntnisse auf C-Führungsebene nicht angenommen wurden, weil sie mit den dort herrschenden Grundannahmen und Glaubenssätzen nicht übereinstimmten.
Die Aussteller auf der PAFOW haben in erster Linie Werkzeuge angeboten, die auf verschiedenen Formen der Organisational Network Analysis (ONA) [3] beruhen. Hierbei ist es u.a. das Ziel, mit Hilfe von sozialen Netzwerkanalysen, Aussagen zur Performance eines Unternehmens zu treffen, u.a. Engagement Index, Diversity and Inclusion Index, oder die Identifikation von Influencer Hubs, die Identifikation von Retention Mustern, die Identifikation von Talenten, das Sichtbarmachen von Führung und Führungsprogrammen usw.. In einigen Fällen wird KI eingesetzt. Nur in wenigen Fällen gehen die Werkzeuge über das Verhalten hinaus, dies hängt u.a. damit zusammen, dass fast immer nur sogenannte Metadaten einer Kommunikation verwendet werden. Also: Wie oft hat Person X mit Person Y über Email, WhatsApp oder slack kommuniziert, wie schnell war die Antwort, usw.. – Inhalte wurden so gut wie nie ausgewertet. Soweit ich dies erfahren konnte, schließt lediglich das in Berlin ansässige Startup bunch.ai über Kommunikationsinhalte und KI auf die Kultur eines Unternehmens.
Die Teilnehmer der PAFOW kamen vorwiegend aus dem HR-Bereich.- Dies wird u.a. durch Erhebungen gestützt, wonach im anglo-amerikanischen HR-Bereich People Analytics das zukünftige Top-Wissens-Thema ist [4]. Meistens geht es darum, ein Führungs-Dashboard zu erstellen, in dem alle o.g. Kennzahlen vertreten sind. Hieran kann man erkennen, dass das vorherrschende Mindset noch sehr den roten, blauen und orangen value-Memen verhaftet ist, denn Führung wird verstanden als Aufgabe einer kleinen Elite (man siehe hierzu meine Blogbeiträge vom Februar 2019 „Projekte neu gedacht: Entwicklungsstufen, Selbstorganisation und Co-Evolution“ und vom September 2018 „Governance: Die hohe Kunst der Führung von Gesellschaft, Unternehmen und Projekten“). In einigen Fällen konnte ich jedoch den Übergang zu grünen oder sogar gelben v-Memen spüren, da der Mitarbeiter ins Zentrum gerückt wird und People Analytics als Werkzeug verstanden wird, um Probleme der globalen Nachhaltigkeit zu lösen.
People Analytics müsste eigentlich vor allem in die Hände der Mitarbeiter gelegt werden.- Also z.B. als aktives Werkzeug der Führung in Projektteams, um dort die Selbstorganisation anzuregen. Dies ist einer der Grundgedanken von Management 4.0.
In meinem Blogbeitrag vom März 2019 „Die Digitale Transformation – Chancen und Risiken – Ein Diskussionsbeitrag“ habe ich ausgeführt, dass People Analytics einer der Hauptbereiche der Digitalen Transformation des Projekt Managements sein wird. Abbildung 1 fasst die Projekt Management spezifischen Aussagen zur Digitalen Transformation zusammen:
Abbildung 1: Die Digitale Transformation des Projekt Managements
Hiernach werden voraussichtlich folgende Physical Technologies das Projekt Management verändern:
- Digital Claim/Contract Management u.a. unter Verwendung von Blockchain-Technologie
- AI Project Controlling für Projektfortschritts- und Projektrisikomanagement u.a. unter Verwendung von AI und Big Data Science
- People Analytics für die Projektteam Selbstorganisation und die Stakeholder Führung u.a. unter Verwendung von AI und Big Data Science
- Digital Network Intelligence für die Selbstorganisation in virtuellen Teams u.a. mittels AI und Big Data Science in aktiven Netzwerken
Diese digitale Veränderung kann jedoch nur dann zur einer Digitalen Transformation gelingen, wenn die Social Technologies sich co-evolutiv entwickeln. Dies setzt jedoch voraus, dass eine ethische Basis und eine entsprechende ganzheitlich Verantwortung für unsere Erde entstehen, sowie sich eine Metakompetenz, Führung und Kultur entwickeln, die Selbstorganisation ermöglichen. Aus diesem Grunde hat die GPM FG Digitale Transformation beschlossen, auf der Basis von vorhandenen europäischen und global verfügbaren Guidelines [5], [6], [7], sowie Management 4.0 [8] „Prinzipien für eine werteorientierte Governance von Projekten der Digitalen Transformation“ zu erstellen. Dies ist meines Erachtens eine wesentliche Voraussetzung für das Schließen des auf der PAFOW wahrgenommenen „Gaps“ von Erkenntnissen und Wirkung.
[1] Wikipedia (2019a) https://en.wikipedia.org/wiki/Analytics und https://de.wikipedia.org/wiki/People_Analytics, zugegriffen am 26.04.2019
[2] Insight222 (2019) insight222.com, zugegriffen am 26.04.2019
[3] Wikipedia (2019b) https://en.wikipedia.org/wiki/Organizational_network_analysis, zugegriffen am 26.04.2019
[4] Deloitte (2017) https://www2.deloitte.com/insights/us/en/focus/human-capital-trends/2017/people-analytics-in-hr.html, zugegriffen am 26.04.2019
[5] European Commission (2019) Ethic Guidelines for trustworthy AI, High-Level Expert Group on Artificial Intelligence, Brussel
[6] DIN ISO 21505 (2018) Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement – Leitlinien zu Governance, Text Deutsch und Englisch, Beuth Verlag
[7] OECD (2015) G20/OECD Principles of Corporate Governance,
[8] Oswald A, Müller W (Hrsg.) (2019) Management 4.0 – Handbook for Agile Practices, Release 3.0“, BoD, Norderstedt